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Das Schiff - Roman

Das Schiff - Roman

Titel: Das Schiff - Roman
Autoren: Greg Bear
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werfe ich ein.
    »Wir sind nicht wichtig«, fügt Nell hinzu.
    »Vergesst es!«, knurrt Tsinoy. »Ich bin doch kein geeignetes Kindermädchen für heranwachsende Babys. Würde nur Alpträume bei ihnen auslösen.«
    »Nicht, wenn sie gar nichts anderes kennen«, gibt Nell in beschwichtigendem Ton zu bedenken.
    »Kommt nicht infrage!«, grummelt Tsinoy. »Wäre ich ein Kleinkind, würde mich dieser Körper zu Tode erschrecken, das könnt ihr mir glauben. Und nicht nur mein gesunder Menschenverstand spricht dagegen, sondern auch mein Egoismus. Ich hasse das Alleinsein.«
    Die Affen hören zu.
    Ein Patt.
    Ein höchst prekäres Patt. Vielleicht bricht jetzt endgültig alles auseinander. Jahrhundertelange Anstrengungen, mit teurem Blut erkaufte Errungenschaften, eine ausdörrende Samenkapsel: All das vernichtet durch das eigene widernatürliche Gewissen. (Und woher stammt dieses Gewissen überhaupt? Werden wir das je erfahren?) Niemals war ein Gewissen für uns vorgesehen. Aber hätten wir es nicht entwickelt, wären wir jetzt nicht hier. Die Affen müssen das doch irgendwie begreifen können, falls sie tatsächlich den Geist derjenigen in sich tragen, die unsere Zeugung veranlasst haben. (Und falls es tatsächlich diese Menschen waren, die uns das Gewissen eingaben.)
    Langsam öffnet sich die Luke, die Klappe gleitet zur Seite. Lichter gehen an. Neben den Kontrollinstrumenten
befindet sich dort ein Innenraum, in dem alles farbenfroh, warm, sauber und gut erhalten ist, wenn die Luft anfangs auch muffig riecht.
    Die Affen bemühen sich ein letztes Mal, uns voneinander zu trennen. Als sie sich auf Kim stürzen, bietet sich ein urkomischer Anblick: Keckernde, schnaubende, pelzige Donuts klammern sich an einen großen gelben Kerl.
    Auf Tsinoys wütendes Geheul hin lassen die Affen von Kim ab, so dass er sich irgendwo festhalten kann. Nach und nach fängt sich unser Spürhund wieder – hoffe ich jedenfalls. Bei Tsinoy bin ich mir nie so ganz sicher.
    » Sie werden als Erste einsteigen«, verkündet sie resolut, nachdem sie so geknurrt hat, als wollte sie sich räuspern. Unsere Gruppe zuckt bei diesen Worten zusammen, während ein weiterer Schauer durch die Reihen der offensichtlich besorgten Affen geht.
    Kein Widerspruch aus unseren Reihen. Wir haben schon Schlimmeres mit sehr viel geringeren Erfolgschancen ausprobiert. Ich deute auf Nell, Nell auf Tomchin, der schließlich als Erster einsteigt, danach Kim und hinter ihm Nell. Ich bilde das Schlusslicht, gefolgt von Tsinoy.
    Unsicher, was sie tun sollen, halten sich die Affen zurück.
    »Und was jetzt?«, frage ich, nachdem wir alle eingestiegen sind.
    Von außen verkündet die Stimme: »Wir werden keinen Treibstoff mehr vom Mond an die Schiffskörper
liefern. Nach einer Generation werden die Schiffskörper erkalten. Alles dort wird erfrieren und sterben. Nur die hier Versammelten werden überleben.«
    »Und was ist mit dem Genpool?«, fragt Nell in meinem Rücken.
    Keine Antwort. Sechs Affen werden von ihren Artgenossen vorwärts geschubst und gesellen sich widerstrebend – und mit traurigem Keckern – zu uns.
    Hinter ihnen schließt sich die Luke.

Trete vor deinen Schöpfer
    D ie inneren Wände der Kammer sind mit einer Frostschicht überzogen. Wir sitzen eng beieinander, frieren und schweigen. Ein paar Dutzend Meter weiter ist in einem dunklen Winkel ein Oval aus Kristallglas auszumachen, umgeben von einem bläulichen Lichtkranz, der nach und nach heller aufleuchtet. Zugleich strahlt immer mehr Wärme von dem Oval ab. Das Auftauen ist hier prekärer als bei den Affen und dem Blattwerk. Wir wissen zwar nicht, was sich in dem Oval befindet, aber es ist sicher nicht sonderlich robust. Nell und ich rücken näher heran.
    »Da drinnen ist eine Person«, meint sie.
    Das Licht strahlt heller und heller. Es dringt aus dem Inneren der durchsichtigen Kapsel, die gerade groß genug für einen einzigen Körper ist. Einen Körper, der kürzer als Nells, kleiner als Tsinoys und Kims und selbst zierlicher als Tomchins ist. Der Körper dürfte in etwa meine Statur haben.
    »Noch eine Mumie«, sagt Kim.
    »Glaube ich nicht«, erwidert Nell.
    Meine Haut prickelt.
    »Sieht weiblich aus«, verkündet Kim.

    Einen Moment lang habe ich angenommen, es könne sich eine weitere Version von mir in der Kapsel befinden. Als ich merke, dass dem nicht so ist, bin ich einerseits erleichtert, andererseits enttäuscht. Es ist eindeutig ein weiblicher Körper. Doch gleich darauf weicht meine
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