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Das Schiff - Roman

Das Schiff - Roman

Titel: Das Schiff - Roman
Autoren: Greg Bear
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diese Stimme – gar nicht so dumm.
    Schließlich verschwindet der letzte von ihnen im Blattwerk.

    DER DURCHMESSER DER KUGEL BETRÄGT, wie angenommen, etwa fünfhundert Meter. Sie scheint aus konzentrisch
angelegten Ebenen – Flächen sowie inneren Kugeln – zu bestehen, von denen die meisten gänzlich verlassen daliegen und immer noch eiskalt sind. Wir orientieren uns vor allem an einem Korridor warmer Luft; die Kälte rechts und links davon hält uns auf dem richtigen Weg.
    Die Gänge und Rohrleitungen führen weitgehend geradeaus, mal abgesehen von einigen sanften Kurven. Das Design erinnert mich an das der Schiffskörper: organisch in seiner scheinbaren Unordnung, zugleich so effizient wie ein funktionstüchtiger Organismus. Während wir uns vorwärtsbewegen, meint Nell, dass der Korridor warmer Luft und die Affen (die wir hin und wieder über unseren Köpfen sehen, bis sie weiterziehen) uns in einem weiten Bogen zu dem vordersten Punkt der Kugel führen.
    Es ist eine interessante Strecke, denn die Hälfte des Blattwerks am Wegesrand ist nach wie vor gefroren. Hier und da tauchen Affen auf, die sich offenbar auch noch in der Kältestarre befinden. An die Äste geklammert, tauen sie nach und nach auf und erwachen träge zum Leben. Einige davon sind bald so aufgewärmt, dass sie sich von den Ästen lösen und zu unserem Tross gesellen.
    Kim beobachtet sie erstaunt. »Sie wurden so geschaffen, dass sie mit der Kugel in den Kälteschlaf sinken können«, bemerkt er. Tomchin versucht das irgendwie zu kommentieren, aber wir sind zu beschäftigt, um ihm zuzuhören, denn ich erzähle gerade davon, dass es auch bei uns Menschen mal jemanden gab, der
sich zwischen Ästen und Blättern wie zu Hause fühlte und dort wie ein Affe bewegte. Tarzan. (Fragt mich nicht, wer Tarzan ist oder war. Aber während ich uns in diesem langgestreckten Dschungel von Affen umgeben sehe – auch wenn es nur Donut-Affen sind –, ist der Name einfach so aus meinem Gedächtnis aufgetaucht, begleitet von dem seltsamen Bild eines muskulösen Mannes, der lediglich einen Lendenschurz aus Leopardenfell trägt.)
    »Nicht hinsehen, aber ich glaube, wir schwinghangeln inzwischen schon selbst«, sage ich mit todernster Miene.
    »In aller Öffentlichkeit?«, fragt Tsinoy, die diesen Ausdruck offenbar für anzüglich hält.
    Nell kichert, was bei ihr wirklich süß klingt: wie eine Mischung aus Schluckauf und Miauen. Nach allem, was wir durchgemacht haben, diesen Affenzirkus eingeschlossen, müssen wir dem Gefühl von Absurdität endlich einmal nachgeben.
    Tsinoy ist am besten darin, es Tarzan nachzutun: Sie springt und huscht hin und her und hält sich auf gleicher Höhe mit den Affen; wir dagegen können wegen unserer unzulänglichen biologischen Ausstattung weder mit ihr mithalten noch von ihr lernen. Während sie sich schnell vorwärtsbewegt, hören wir die Babys unter ihrem Panzer glucksen, lallen und quengeln, was darauf hindeutet, dass sie sich zwar nicht rundum wohlfühlen, aber auch keine Not leiden. Stillt Tsinoy die Babys womöglich? Alles ist vorstellbar in dieser Welt, in der das Absurde Normalität ist.

    Nach allem, was passiert ist, empfinde ich, glaube ich, so etwas wie Liebe für unseren ganzen bizarren Trupp. Es ist das erste Mal, dass ich so etwas für reale Personen empfinde – allerdings erinnere ich mich von der Traumzeit her an dieses Gefühl.
    Liebe zu Menschen .
    Liebe zu meinen Leuten. Vielleicht ist dieser Trupp die einzige Familie, die ich je haben werde. Wie sollte man sie auch nicht lieben, diese Geschöpfe, die mit den unglaublichsten Situationen fertiggeworden sind, so viele Seiten einer niemals aufgeschriebenen menschlichen Geschichte füllen könnten? Allen Widrigkeiten zum Trotz arbeiten diese Menschen zusammen, streben wider alle Vernunft ein bestimmtes Ziel an, hoffen, dass ihr Leben einen Sinn hat.
    Wir kommen keineswegs zügig voran. Als wir endlich ans Ziel gelangen, sind wir völlig verschwitzt, haben uns Kratzer und viele andere Malaisen zugezogen. Was wir vor uns sehen, könnte eine Kopie des Kontrollzentrums am Bug von Schiffskörper 03 sein, nur ist es von Schlingpflanzen, Ranken, Zweigen und Blättern überwuchert; sogar Bäume haben hier Wurzeln geschlagen. Offenbar halten sich die Affen hier schon seit langer Zeit auf, mal abgesehen von ihren Kälteschlafphasen.
    Wir finden zwei weitere Mumien, die völlig aufgetaut sind und alles andere als einen angenehmen Anblick bieten. »Wer sind die beiden?«,
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