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Das Schiff - Roman

Das Schiff - Roman

Titel: Das Schiff - Roman
Autoren: Greg Bear
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für nichts verantwortlich machen.
    »Die beiden werden bald wieder zum Leben erwachen«, leiert die Stimme. »Jetzt befinden sie sich noch im Tiefschlaf.«
    »Muss wirklich sehr tief sein«, bemerkt Kim leise.
    Nell zieht sich an einem langen Ast vorwärts, streckt die Hände nach den Blättern aus und schiebt sie zur Seite, als hielte sie Ausschau nach funkelnden kleinen Augen. »Habt keine Angst«, murmelt sie und schießt Tsinoy einen warnenden Blick hinüber, damit sie sich nicht rührt. »Ihr dort, im Gesträuch – wer seid ihr?
Habt ihr die Babys geschaffen und uns verraten, wo wir sie finden können?«
    »Mit wem redet Nell?«, will Tsinoy wissen.
    »Na bitte!«, sagt Kim, als hinter ihm eine kleine Gestalt auftaucht, die sich an ihrem langen Schwanz von einem Ast herunterbaumeln lässt. Mein Gedächtnis verrät mir, dass es irgendein Affe sein muss, doch das stimmt nicht ganz. Eher ähnelt dieses Tier einem Donut mit fünf gelenkigen Armen und zwei Schwänzen. Allerdings ist es am ganzen Körper dicht behaart, und oben sitzt ein dreieckiger Kopf mit einem Gesicht, das rings um die dreiseitige Nase drei Augen aufweist. Ein viertes Auge entdecke ich auf dem Schädel – überaus praktisch in dreidimensionalen Lebensräumen!
    Als die Stimme sich erneut meldet, scheint sie – zumindest zum Teil – aus dem Donut-Affen in Kims Rücken zu kommen. »Weckt die Schläfer auf«, sagt sie durch die dreiseitige Nase des Affen, ohne dass bei ihm irgendein Mund zu erkennen ist. Jetzt ist eindeutig zu erkennen, dass die Stimme von ringsum zu uns herüberdringt. Weitere Donut-Affen stecken Köpfe, Schwänze und Arme durch das Ästegewirr. Einer lässt sich schließlich neben den mit Raureif überzogenen Leichen nieder, während er uns mit wachem Blick beobachtet.
    Dieses belaubte Baumhaus hat Dutzende von Bewohnern, wie wir jetzt sehen können. Deren Arme münden in winzigen, gelenkigen Händen mit drei Fingern und zwei Daumen. Wie viele weitere Affen bevölkern die Kugel der Reiseleitung? Hunderte? Tausende?
    Der Affe, der sich bei den Leichen niedergelassen hat, streckt die Hand nach oben, als wollte er eines der auftauenden Gesichter streicheln. Gleich darauf wimmert er leise und zieht sie zurück. »Wir sind gestorben«, sagt die Stimme.
    »Sie reden alle auf einmal«, wundert sich Nell. »Mit einer einzigen Stimme.«
    »Stammen sie aus dem Katalog?«, fragt Tsinoy. »Hat das Schiff sie vor uns erschaffen?«
    Die Existenz von sprechenden Donut-Affen kann man offenbar leichter hinnehmen als die eines Gespenstes aus Chrom. »Möglich«, erwidere ich.
    »Sie sehen nicht unbedingt wie Killer aus«, bemerkt Kim. »Keine Klauen, nicht besonders scharfe Zähne. Große Köpfe im Verhältnis zum sonstigen Körper. Sie wirken so, als ob …«
    »Das Schiff will kommunizieren«, verkündet die Stimme. »Das Schiff will eine Beilegung des Konflikts herbeiführen. Weckt die Reiseleitung auf, und sucht uns eine neue Heimat.«
    »Das verstehe ich nicht«, erklärt Kim. »Ist das Schiff nicht tot? Und befinden wir uns nicht im Quartier der Reiseleitung?«
    »Sie wollen, dass wir ihnen folgen«, sagt Nell, die beobachtet hat, wie sich die Affen aufführen. Sie strecken die Hände so aus, als wollten sie uns berühren, ziehen die Arme jedoch im letzten Moment zurück und hasten in Massen durch eine Öffnung im Ästegewirr nach unten. »Aber wir können nicht alle mit. Jemand muss hierbleiben, bei den Babys.«

    Jedenfalls nehmen die Affen großen Anteil an den Babys. Wenden ihnen besorgt die Köpfe zu, schnattern durch die Nasen.
    »Niemand darf zurückbleiben«, verkündet die Stimme.
    Tsinoy, stets für Überraschungen gut, zeigt den Affen, dass sie die Babys relativ warm und bequem unter ihrem Panzer bergen kann. Schließlich ist auch Nell damit einverstanden. Die Babys sind besser dran, wenn wir sie mitnehmen.
    »Warum sollten sie den Babys was tun?«, fragt Kim. »Haben sie uns nicht selbst gebeten, die Babys zu suchen und hierherzubringen?«
    »Streng deine Fantasie an«, erwidere ich mit finsterer Miene.
    Kim wirkt zwar leicht gekränkt, nickt aber schließlich.
    Mindestens zehn äußerst gelenkige Affen – sie wollen uns eindeutig zum Aufbruch ermuntern – schwingen sich gemeinsam von Ast zu Ast und hangeln sich ringsum herunter. Offenbar wollen sie, dass wir uns jetzt, da nichts mehr dafür spricht, dass die erstarrten Hüllen jemals wieder zum Leben erwachen, von den beiden Toten entfernen. Vielleicht sind diese Affen –
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