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Das Schapdetten-Virus

Das Schapdetten-Virus

Titel: Das Schapdetten-Virus
Autoren: Juergen Kehrer
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Minuten später verfolgten wir auf den Monitoren, wie Hillen in seinem Auto das Firmengelände verließ. Dann waren wir allein mit hundert Affen.
    Wie vorauszusehen, gestaltete sich die Arbeit nicht sehr aufregend. Wir drehten unsere Runden, starrten auf die Monitore, die immer denselben Film zeigten. Koslowski packte ein gewaltiges Butterbrotpaket aus und gab mir ein Leberwurstbrot ab, weil ich vergessen hatte, dass Nachtdienst nicht nur müde, sondern auch hungrig macht. Als Höhepunkt des Unterhaltungsprogramms gab es im Aufenthaltsraum der Tierpfleger zwei Getränkeautomaten, an denen wir uns gelegentlich eine Cola oder einen Kaffee zogen.
    Fast zwangsläufig, um nicht einzuschlafen, kamen wir auf Persönliches zu sprechen. Ich erzählte von meiner gescheiterten Ehe und dem angespannten Vater-Tochter-Verhältnis. Dann zog ich ein Foto von Sarah aus dem Portemonnaie, und Koslowski nahm es in seine Pranke.
    »Nettes Kind«, sagte er, nachdem er das Foto drei Sekunden betrachtet hatte.
    »Ja. finde ich auch.« Ich wusste, dass er mal verheiratet gewesen war, aber wie fast alles, das sich in der Vergangenheit des Expolizisten abgespielt hatte, blieb auch dieses Kapitel im Dunkeln. »Wie war das eigentlich bei dir?«
    Er guckte zu den Monitoren. »Ich rede nicht gern darüber.«
    Ich sagte nichts.
    »Es ist schon so lange her.« Er seufzte. »Na ja, warum nicht? Ich wollte gar nicht heiraten. Das Übliche eben: Sie sagte, sie sei schwanger, und dann sind wir zum Standesamt gegangen. Das Kind war eine Frühgeburt, starb nach drei Tagen im Brutkasten. Die Ärzte hatten behauptet, es sei über den Berg, und dann plötzlich: aus und vorbei. Es war ein Schock, besonders für meine Frau. Und, was soll ich sagen, ich gewöhnte mich daran, verheiratet zu sein. Es war gar nicht so schlecht.«
    Ich wartete. »Und dann?«
    »Eine Routineoperation. Sie hatte vereiterte Mandeln. Der HNO-Arzt sagte ihr, die Mandeln müssten raus. Sie ist nicht mehr aus der Narkose aufgewacht. Kommt in einem von zehntausend Fällen vor. Aber es kommt vor.«
    »Das ist ja traurig«, sagte ich.
    »Ja. Seitdem hasse ich Ärzte und Krankenschwestern. Schon von einem weißen Kittel kriege ich Magenschmerzen. Mir wird schlecht, wenn ich ein Krankenhaus betrete. Allein der Geruch macht mich krank.«
     
    Gegen ein Uhr passierte etwas. Ein Motorrad kurvte vor dem Eingangstor, wurde langsamer, hielt schließlich an. Zwei in Motorradwursthüllen verpackte Gestalten stiegen ab, eine lange, dünne Wurst und eine kleinere, rundlichere Wurst. Sie nahmen ihre Helme ab, und auf dem Monitor sahen wir, dass es sich um ein Männchen und ein Weibchen handelte, beide noch recht jung. Im nächsten Moment fingen sie an zu knutschen.
    »Was machen die da?«, sagte ich. »Können die sich keinen besseren Ort aussuchen?«
    Koslowski grunzte nur.
    »Ich schau mir das mal an.« Die pure Sucht nach Abwechslung trieb mich an das Tor.
    »Hey«, rief ich, »habt ihr euch verfahren?«
    »Der Spanner will was von uns«, sagte der Junge zu dem Mädchen. Er hatte lange, blonde Haare und ein schmales Gesicht. Die Dunkelheit und die Entfernung konnten mich täuschen, aber er kam mir unsympathisch vor.
    Im schwarzen Haar des Mädchens leuchtete es rot, blau und grün, an ihrer Nase blinkte etwas Metallisches, vermutlich ein Ring. »Guck mal, der hat eine echte Knarre.«
    »Okay, Leute«, schaltete ich mich ein. »Ihr habt euren Spaß gehabt, jetzt könnt ihr weiterfahren.«
    »Wir befinden uns auf öffentlichem Gelände«, antwortete der Junge eine Spur förmlicher. »Ob wir gehen oder bleiben, entscheiden wir selbst.« Dabei legte er seinen Arm um die Taille des Mädchens.
    An dem Argument war etwas dran, das ließ sich nicht leugnen. »Na gut«, gab ich nach. »Dann macht eben weiter. Aber kommt dem Tor nicht zu nahe. Sonst kriegt ihr was auf die Pfoten.«
    »Etwa von dir?«
    »Entweder von mir oder aus der Steckdose.«
    Die beiden kicherten überheblich, und ich trat den taktischen Rückzug an.
    Fünf Minuten und ein paar langatmige Küsse später düsten sie ab.
    »Merkwürdig«, sagte ich.
    »So ist das auf dem Land«, meinte Koslowski.
    Bei meinem letzten Rundgang bemerkte ich, dass einige Affen in Raum C offensichtlich krank waren. Rotz und Wasser lief ihnen aus der Nase, und sie machten einen ziemlich jämmerlichen Eindruck.

IV
     
     
    Der Gorilla hatte mich bis in die Baumhütte verfolgt. Ich versteckte mich hinter einem Vorhang, und der Affe machte die Inneneinrichtung zu
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