Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Schapdetten-Virus

Das Schapdetten-Virus

Titel: Das Schapdetten-Virus
Autoren: Juergen Kehrer
Vom Netzwerk:
und ich entfernte die Alufolie. Dann überlegte ich, ob der grüne Punkt auch für die Folie galt oder nur für die äußere Schachtel. Vor einigen Monaten hatte uns die strikte Mülltrennung erreicht: Biotonne, Papiertonne, Restmülltonne und gelber Sack. Anfangs nahmen wir die Sache nicht so ernst, aber Frau Gerstenkamp, die in der Wohnung unten links wohnte, erwischte uns ein paar Mal, wie wir Recyclingverpackungen in die Restmülltonne werfen wollten. Ich hatte sie sogar im Verdacht, dass sie nachts die Mülltonnen inspizierte.
    »Hallo Georg!« Jan zeigte sich in der Küchentür. Er trug einen leicht verknitterten Leinenanzug und ein Hawaiihemd.
    »Sag mal: Gehört die Alufolie der Margarinedose in den gelben Sack oder in den Restmüll?«
    »Ich denke, der grüne Punkt gilt auch für die Folie. Aber wenn du dir nicht sicher bist, schau doch mal im Verzeichnis der Stadtwerke nach! Es liegt im Küchenschrank.«
    »Danke.«
    »Ich geh zur Uni.« Er wollte sich schon abwenden, da fiel ihm noch etwas ein: »Ach, übrigens, deine Ex hat angerufen. Du sollst sie zurückrufen. Es ist irgendwas mit Sarah.«
    Die Erwähnung des Namens versetzte mir einen kleinen Stich. Bei der Scheidung hatte ich zwar ein dauerhaftes Besuchsrecht erkämpft, doch die zunehmende Entfremdung zwischen mir und meiner Tochter war nicht zu übersehen.
     
    Imke war nicht da.
    Hubert, ihr Vater, behauptete, nichts Näheres zu wissen. An seiner Stimme hörte ich, dass er sehr wohl Bescheid wusste, sich aber wieder mal drückte. Ich erzählte ihm, dass ich nur bis siebzehn Uhr zu erreichen sei, weil ich in der Nacht arbeiten müsse.
    »Auf Leitern steigen, um Fotos von irgendwelchem intimen Schweinkram zu machen?«
    »Nein, Hubert, neuerdings benutze ich einen Hebekran.«
    Seine Stimme wurde einen Ton schriller: »Nennen Sie mich bitte nicht Hubert! Wir sind nicht mehr verwandt.«
    Der alte Sack.

III
     
     
    »Was hältst du davon?«, fragte ich Koslowski.
    »Na ja«, brummte der Hüne, der mindestens einen Kopf größer und zwei Oberarme breiter war als Arnold Schwarzenegger. »Du hast schon einiges in den Sand gesetzt.«
    »Ich habe aus meinen Fehlern gelernt. Diesmal wird es klappen.«
    »Ein bisschen stinkt es mir tatsächlich, als Nachtwächter Runden zu laufen.«
    »Du bist also dabei?«
    »Frag mich, wenn es so weit ist! Aber«, er piekste seinen Finger in meine Brust, »du trägst das Risiko allein. Ich bürge für nichts. Ich möchte hinterher nicht den Arsch voller Schulden haben.«
    Ich lächelte. Es ging wieder aufwärts. Lebensplanungsmäßig gesehen.
    Die Straße blieb dagegen flach, wie die meisten im Münsterland. Wir hatten Roxel hinter uns gelassen und fuhren Richtung Nottuln. Abseits der Landstraße lagen ein paar große Bauernhöfe. Bei den Schweinemästern liefen die Geschäfte ausgezeichnet, seit die Leute aus Angst vor dem Rinderwahnsinn wieder zum Schweinekotelett griffen. Getreide- und Rapsfelder wechselten sich mit Weiden ab, vereinzelte Bäume lockerten das Gesamtbild auf, rechts schimmerte bläulich die Hügelkette der Baumberge.
    »Schapdetten«, sagte Koslowski, »da erinnere ich mich an einen Fall, mit dem ich als Polizist zu tun hatte.« Er kicherte. »Ein verdammt komischer Mord. Genauer gesagt, zwei Morde und ein versuchter.«
    Ich warf ihm einen skeptischen Blick zu. »Klingt nicht sehr witzig.«
    »Wart’s ab! Es begann mit einem Schützenfest. In Schapdetten. Wie das so ist, bei den Schützenfesten auf dem Land, wird tagelang durchgesoffen. Und auch sonst passiert einiges. Ein junger Mann und eine junge Frau treiben es auf dem Rücksitz seines Autos. Hinterher kann er sich nicht mehr an allzu viel erinnern. Er weiß nur, dass sie aus einem Dorf in der Gegend stammt. Aber da er nichts mehr von ihr hört, vergisst er die Geschichte.
    Zwölf Monate später kriegt er einen Brief. Drin liegt das Foto eines ungefähr drei Monate alten Babys. Die Frau schreibt, dass er Vater geworden sei und von nun an monatlich zu zahlen habe. Du kannst dir vorstellen, dass der Typ das nicht gut findet. Richtig sauer ist er auf die Frau. Ja, er entwickelt so eine Stinkwut, dass er beschließt, das Baby umzubringen. Im Supermarkt kauft er ein Fläschchen Alete, mischt Rattengift hinein und schickt die Giftbombe der Mutter, mit besten Grüßen selbstverständlich.
    Als das Päckchen eintrifft, ist die Mutter nicht zu Hause. Ihre zwanzigjährige Schwester passt auf das Baby auf, und fürsorglich wie sie ist, probiert sie die
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher