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Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)

Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Daniel Wolf
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eiskalten Luft. Neben ihm spielte ihre zweijährige Schwester Vivienne im Schnee.
    »Wo habt ihr euch denn wieder herumgetrieben?«, fragte er. »Ich habe euch doch gesagt, dass ihr den Schweinestall sauber machen sollt.«
    »Pierre«, keuchte Michel. »Haben ihn gefesselt … Guiscard … beim Wildern erwischt …«
    Sein Vater ließ die Axt sinken und runzelte die Stirn. »Guiscard hat Pierre beim Wildern erwischt?«
    Michel nickte.
    »Wieso weißt du davon? Hast du es gesehen?«
    Als Michel zu einer gestammelten Antwort ansetzte, sagte sein Vater: »Jetzt komm erst einmal zu Atem. Dann erzählst du mir der Reihe nach, was passiert ist.«
    Bevor Michel anfangen konnte, erschienen Guiscard, seine Männer und der unglückliche Pierre auf dem Pfad, der neben der Kirche den Hügel hinabführte. Mit der Axt in der Hand trat Michels Vater auf den Platz, um besser sehen zu können. Auch die anderen Dorfbewohner unterbrachen ihre Arbeit und reckten die Hälse.
    Die beiden Kriegsknechte zerrten Pierre auf den Dorfplatz, und neben dem Brunnen versetzte ihm einer der Männer einen Tritt in die Kniekehlen. Wegen seiner Handfesseln konnte der Köhler den Sturz nicht abfangen und fiel mit dem Gesicht voran in den Schnee. Er wimmerte leise, machte jedoch keinen Versuch aufzustehen.
    Niemand eilte ihm zu Hilfe. Mit der Ankunft der Männer hatten die Dorfbewohner eilends den Platz verlassen. Nun standen sie furchtsam vor ihren Hütten und beobachteten schweigend das Geschehen.
    Guiscard zügelte sein Pferd und warf zwei tote Kaninchen in den Schnee. Die Stimme, die daraufhin aus der Kapuze drang, war rau und dunkel, beinahe wie das Knurren eines Raubtiers.
    »Dieser Lump hat es gewagt, in der Allmende zu wildern und diese Hasen zu erlegen. Damit hat er uns alle bestohlen – euch, mich und Seine Gnaden Herzog Matthäus. Offenbar glaubt er, das Gesetz gelte nicht für ihn. Seht her, was mit jenen geschieht, die den Wildbann brechen.«
    Der Ritter gab seinen Kriegsknechten einen Wink, woraufhin die beiden Männer Pierre an den Armen packten und auf die Füße zerrten.
    »Habt Erbarmen, Herr, ich bitte Euch«, flehte der Köhler, während aus seiner gebrochenen Nase Blut sickerte.
    »Geht ins Haus«, befahl Michels Vater.
    Ohne zu zögern ergriff Michel die Hand seiner Schwester, die aussah, als würde sie gleich anfangen zu weinen. Jean machte keine Anstalten, ihm zu folgen. Mit fasziniertem Entsetzen betrachtete er die Kriegsknechte, die Pierre über den Platz führten.
    »Jetzt komm!«, zischte Michel.
    Widerwillig schlüpfte sein Bruder nach ihm in die Hütte. »Glaubst du, sie werden Pierre hängen?«, fragte er, nachdem Michel die Tür geschlossen hatte. »Glaubst du’s?«
    Michel hoffte inständig, dass Pierre eine mildere Strafe bekam. Zwar konnte er den Köhler nicht ausstehen, aber deswegen wünschte er ihm noch lange nicht den Tod. Ohne Jean eine Antwort zu geben, durchquerte er den vorderen Teil der Hütte, in dem sich der Koben mit dem Schwein der Familie befand, und setzte Vivienne auf eines der beiden Schlaflager neben der Feuerstelle. Es bestand aus Fellen und groben Wolldecken auf einem schlichten Holzgestell und war breit genug, dass die drei Geschwister darin schlafen konnten.
    »Nicht weinen«, sagte er, als das Mädchen zu schluchzen begann. »Du musst keine Angst haben.« Er gab ihr ihre Puppe. »Schau mal, hier ist Joie. Spiel ein bisschen mit ihr, ja?«
    Vivienne weinte ständig, meist ohne ersichtlichen Grund, und manchmal hatte Michel nicht übel Lust, sie dafür zu ohrfeigen. Er tat es jedoch nie. Er hätte es niemals zugegeben, aber er liebte seine jüngeren Geschwister, und es machte ihm nichts aus, auf sie aufzupassen. Seit dem plötzlichen Tod ihrer Mutter vor knapp zwei Jahren war das seine Pflicht, und er nahm sie sehr ernst.
    Glücklicherweise beruhigte sich Vivienne und war kurz darauf in ihr Spiel vertieft. Michel ging zu Jean zurück, das Schwein ignorierend, das ihm in der Hoffnung auf Futter seine Schnauze entgegenstreckte.
    »Sie binden ihn an!«, stieß Jean hervor, der den Dorfplatz durch eines der Luftlöcher in der Hauswand beobachtete. Wie die meisten Hütten Fleurys besaß auch ihre keine richtigen Fenster.
    Michel pulte das Stroh aus einem anderen Mauerspalt und spähte nach draußen. Die Kriegsknechte hatten Pierre zur Dorfschenke gebracht, wo sie seine Fesseln durchschnitten und seine Hände an einem Balken des vorspringenden Daches festbanden.
    Guiscard stieg aus dem Sattel, in der
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