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Das rote Zimmer

Titel: Das rote Zimmer
Autoren: Nicci French
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aufgepasst. Ich hatte keine Ahnung, was er vorhatte. Ich bin nicht mal sicher, ob er es selbst wusste. Er hat mir später erzählt, er sei in Panik geraten und auf sie losgegangen.«
    »Er hat sie mit einem Hammer erschlagen und sie dann auf der anderen Seite der Heide abgeladen. Es ist also anzunehmen, dass er den Hammer dabeihatte.«
    »Anzunehmen«, stimmte Bryony mir zu. »Das wird man ihm zur Last legen, nicht wahr?«
    »Ja. Und Sie waren währenddessen bei Emily und haben mit ihr auf die Rückkehr ihrer Mutter gewartet?«
    »Nach einer Weile bekam ich es mit der Angst zu tun.
    Weder die Frau noch Gabriel kamen zurück. Deswegen habe ich mich aus dem Staub gemacht. Es waren jede Menge Leute da, ich wusste, dass ihr nichts passieren würde. Trotzdem empfinde ich deswegen die größten Schuldgefühle: weil ich ein kleines Mädchen einfach allein gelassen habe.«
    »Verstehe«, sagte ich. »Und dann waren Sie schrecklich geschockt, als Sie nach Hause kamen und Gabe Ihnen erzählte, was passiert war.«
    »Er war nicht da. Er ist einen ganzen Tag nicht nach Hause gekommen. Als er dann endlich auftauchte, hat er mir gestanden, dass er mit dem Gedanken gespielt habe, sich umzubringen.«
    »Außerdem musste er ja noch den Wagen reinigen.«
    »Daran habe ich nie gedacht. Das Einzige, was ich tun konnte, war, das Ganze zu verdrängen. Ich fühlte mich wie im Fegefeuer. Am liebsten hätte ich es laut hinausgeschrien, es allen Leuten erzählt. Es tut schon gut, es bloß Ihnen zu erzählen. Ich habe mir die ganze Zeit so gewünscht, endlich jemandem die ganze Wahrheit sagen zu können.«
    »Dann kam Michael Doll ins Spiel. Er hatte ebenfalls Pech. Genau wie Sie, meine ich. Der Ort, an dem Sie Liannes Leiche abgeladen haben, war zufällig der Ort, wo Mickey Doll den ganzen Tag beim Fischen saß. Das wussten Sie ja aus der Zeitung.«

    »Richtig.«
    »Was hatte er gegen Sie in der Hand? Hat er etwas gesehen?«
    »Ich glaube nicht. Keine Ahnung. Gabe hat die Leiche dort abgeladen. Er hat niemanden gesehen.«
    »Hat Gabe dabei etwas fallen lassen, das Doll fand?«
    »Nein.«
    »Was war es dann?«
    »Nichts.«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Ich glaube nicht, dass er etwas gewusst hat. Aber Gabe war mittlerweile völlig besessen von dem Gedanken, dass dieser Mann dort gewesen war und etwas wissen könnte.
    Er hat gesagt, nur durch ihn könnten wir noch auffliegen.«
    »Deswegen sind Sie nachts zum Kanal gegangen. Sie können nicht leugnen, dass Sie diesmal mit von der Partie waren.«
    »Nein, ich war dabei, ich gebe es ja zu. Inzwischen hätte ich alles getan, um Gabe zu helfen, damit das alles endlich vorbei wäre.«
    »Was war Ihr Plan? Ihm eine über den Kopf zu ziehen und in den Kanal zu werfen?«
    Sie begann zu weinen. Darauf war ich vorbereitet. Ich reichte ihr ein paar Papiertaschentücher.
    »Ich weiß es nicht«, antwortete sie.
    »Aber Sie sind dabei erwischt worden«, fuhr ich fort.
    »Sie waren wirklich brillant. Die Täterbeschreibung, die Sie abgeliefert haben, nachdem Sie sich von Ihrem Trauma erholt hatten, war ein besonderer Geniestreich.
    Der mysteriöse Verbrecher, der sich gerade so weit von den anderen Beschreibungen unterschied, dass plötzlich alle Zeugen unzuverlässig erschienen. Was für eine schauspielerische Leistung!«
    »Es war nicht gespielt. Ich hatte das Gefühl, wahnsinnig zu werden.«
    »Und dann haben Sie Doll doch noch erwischt.«
    »Das war Gabriel. Er hat gesagt, wenn es Doll nicht mehr gäbe und man ihm die Morde zur Last legen würde, wäre alles vorbei.«
    »Was haben Sie dazu gesagt?«
    »Ich hatte keinen eigenen Willen mehr. Ich wollte nur noch, dass es vorbei ist.«
    »Als Sie es am Spielplatz mit der Angst zu tun bekamen und Emily allein zurückließen, da nahmen Sie ihre Tasse mit. Das stellte sich später als sehr hilfreich heraus. Einer von Ihnen beiden, oder vielleicht sollte ich besser sagen Gabriel, ließ die Tasse in Dolls Wohnung zurück.
    Natürlich ließ er auch einen Lederbeutel liegen, aber das spielte keine Rolle. Das Ding belastete Mickey Doll nur noch zusätzlich. Welcher Mörder würde schon absichtlich etwas zurücklassen, das seine Identität preisgab? Für Doll war es allerdings ein bisschen hart.«
    Sie putzte sich die Nase. »Ich weiß«, antwortete sie.
    »Der Gedanke quält mich auch, aber ich weiß nicht, was ich hätte tun sollen.«
    »Und dann kam ich.«
    »Ich war kurz davor, es Ihnen zu erzählen«, sagte sie.
    »Das haben Sie bestimmt gemerkt. Nein, Sie sind
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