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Das rote Zimmer

Titel: Das rote Zimmer
Autoren: Nicci French
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passiert ist. Sie sind eine Frau und noch dazu vom Fach, ich hatte gehofft, Sie würden verstehen, dass das Gabes Morde waren. Ich stand gewissermaßen unter seinem Einfluss, seiner Kontrolle.
    Ich dachte, die Leute würden das verstehen. Aus einem bestimmten Blickwinkel betrachtet, bin ich im Grunde auch eines seiner Opfer. Indem ich Sie gerettet habe, ist es mir endlich gelungen, mich dagegen aufzulehnen. Ich bin sozusagen wieder ich selbst geworden.«
    Nach diesen Worten sah sie mir zum ersten Mal an diesem Tag richtig in die Augen. Wollte sie damit sagen, dass ich ihr etwas schuldete? Ihr Leben für meines?
    »Was ist passiert?«, fragte ich. »Mit Daisy?«
    »Nichts«, antwortete sie. »Sie hat sich umgebracht. Das wissen Sie doch.«
    »Sie hatte etwas mit Ihrem Mann.«
    »Darüber ist mir nichts bekannt. Tatsache ist, dass schon immer eine Menge junger Mädchen verrückt nach Gabriel waren. Das soll keine Rechtfertigung sein. Ich will auch gar nicht behaupten, dass es mir nichts ausgemacht hat, aber nach allem, was ich gehört habe, war dieses Mädchen ziemlich labil. Sie hat keine Anzeige bei der Polizei erstattet, oder?«
    »Nein.«
    »Na also. Das ist doch alles Blödsinn.«
    »Sie war erst vierzehn, Bryony. Vierzehn .«
    »Wie gesagt, davon weiß ich nichts. Tatsache ist aber, dass dieses andere Mädchen, Lianne, irgendwann total hysterisch bei uns aufgetaucht ist. Sie hatte völlig falsche Vorstellungen, was Daisy betraf. Sie hat sich aufgeführt, als stünde sie unter Drogen.«
    »Ich habe ihren Autopsiebericht gelesen«, entgegnete ich.

    »In ihrem Blut wurden keinerlei Spuren von Drogen gefunden.«
    »Ich wollte damit ja auch nur sagen, dass sie völlig durchgeknallt war. Zuerst hat sie nur mit Gabe gesprochen. Ich kam dazu, als sie gerade anfing, um sich zu schlagen. Ich wusste erst gar nicht, was los war. Sie schrie herum und schlug nach Gabe und mir, und im nächsten Moment war sie auch schon hingefallen und dabei wohl mit dem Kopf gegen eine Kante geknallt. Es war ein richtiger Albtraum. Mir war überhaupt nicht klar, was eigentlich vor sich ging. Ich weiß bloß, dass sie plötzlich tot war und ich in Panik geriet. Wir haben versucht, sie wiederzubeleben.«
    »Sie sind in Panik geraten«, griff ich ihre Formulierung auf.
    »Und deswegen haben Sie und Gabe ihrer Leiche zahlreiche Stichwunden zugefügt. Rund um die Brüste und am Bauch. Und dann haben Sie sie am Kanal abgeladen.
    Das war vielleicht Ihre Idee. Sie kannten die Gegend ja von Ihren vielen Spaziergängen.«
    »Nein«, erwiderte sie gedankenverloren. »Nein, es war Gabes Idee. Er war hysterisch. Er hat gesagt, wir müssten es nach einem Mord aussehen lassen, einer Art von Mord, die niemand mit Leuten wie uns in Verbindung bringen würde. ›Uns‹, hat er gesagt. Er hat gesagt, wir würden da gemeinsam drinhängen. Die Sache hätte unser ganzes Leben ruinieren können, aber nun seien wir sicher. Er hat gesagt, er werde mich nicht gehen lassen.«
    »Aber Sie waren noch immer nicht sicher, oder?«
    »Nein, das waren wir nicht. Diese Frau …«
    »Philippa Burton. Sie hatte einen Namen.«
    »Ja, sie besaß unsere Adresse von Lianne. Sie ist zu uns gekommen und hat nach Lianne gefragt. Sie hat gewusst, dass sie bei uns gewesen war.«
    »Warum?«
    »Lianne hatte ihr von Gabe erzählt. Das hat sie zumindest behauptet.«
    »Nein, ich meine, warum hat sie nach Lianne gefragt?«
    »Was spielt das für eine Rolle? Gabe war völlig aufgelöst, er konnte keinen klaren Gedanken fassen. Ich versuche Ihnen nur zu erklären, warum das alles als Ganzes genommen so schlimm aussieht, aber wenn man es in einzelne Teile zerlegt, dann gibt es eine … eine Erklärung dafür.«
    »Wollten Sie gerade sagen, eine harmlose Erklärung?«
    Bryony schwieg einen Moment. Sie war inzwischen bei der dritten Zigarette angelangt. »Ja, das wollte ich, aber es hätte herzlos geklungen. Ich möchte nicht, dass Sie mich für herzlos halten, Kit. Die Meinung der meisten anderen Leute ist mir egal, aber ich möchte, dass Sie mich verstehen.«
    »Wie ist das mit Philippa dann weitergegangen?«
    »Gabe hat gesagt, er habe eine Idee. Er wolle mit ihr reden, sie zur Vernunft bringen. Wir haben ein Treffen mit ihr vereinbart.«
    »In Hampstead Heath.«
    »Ja. Ich wusste nicht, was passieren würde. Er hat zu mir gesagt, dass er mit ihr reden, ihr eine Geschichte auftischen wolle, die sie zufrieden stellen würde. Ich bin am Spielplatz geblieben und habe auf das kleine Mädchen
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