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Das Rote Kreuz - Geschichte einer humanitaeren Weltbewegung

Das Rote Kreuz - Geschichte einer humanitaeren Weltbewegung

Titel: Das Rote Kreuz - Geschichte einer humanitaeren Weltbewegung
Autoren: Daniel-Erasmus Khan
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«Helden von Solferino» stehenden Mannes vorbehalten bleiben, die entscheidenden Schritte zur Realisierung der Dunant’schen Ideen zu unternehmen. Ein erster bestand darin, das Thema bereits für den 15. Dezember 1862auf die Tagesordnung einer Vorstandssitzung der Gemeinnützigen Gesellschaft zu setzen. Das Sitzungsprotokoll indes notierte schlicht: «Es ist nicht an unserer Gesellschaft, sich dieser Sache anzunehmen.» Zu groß erschien der Mehrheit die Herausforderung für einen Wohlfahrtsverein, der sich angesichts sehr beschränkter personeller und materieller Ressourcen bisher ganz auf die Prüfung lokaler Anliegen konzentriert hatte. Moynier aber ließ sich nicht entmutigen und nur einen Monat später, am 28. Januar 1863, machte er vor demselben Gremium einen weiteren Vorstoß. Sein Ziel hatte er nicht aufgegeben, nur seine Taktik geändert: Man möge doch zumindest die Zustimmung dafür geben, dass eine Denkschrift zu den Vorschlägen Dunants zwecks Vorlage an den für den September des Jahres in Berlin geplanten Wohlfahrtskongress erarbeitet würde. Damit war der Vorstand schließlich einverstanden. Nun ging alles ganz rasch. Nach einer kontroversen Diskussion, in der «Realisten» erneut Zweifel an der Praxistauglichkeit des ganzen Projektes äußerten, stimmte auch die eiligst auf den 9. Februar einberufene Hauptversammlung der etwa 180 Mitglieder umfassenden Gesellschaft der Einsetzung eines fünfköpfigen Komitees zu, welches Mittel und Wege zur Gründung einer «Hilfsorganisation für verwundete Militärpersonen» prüfen sollte. Damit war die organisatorische Keimzelle der Rotkreuzbewegung geschaffen.
    Dem «Fünfer-Komitee» gehörten neben Dunant und Moynier auch die beiden Ärzte Dr. Louis Appia und Dr. Théodore Maunoir an sowie schließlich der im In- und Ausland in höchstem Ansehen stehende General Dufour, dem auf der konstituierenden Sitzung am 17. Februar 1863 auch der Vorsitz übertragen wurde. Dieser Tag gilt heute als Gründungsdatum der internationalen Rotkreuzbewegung.
    Das Komitee gab sich zunächst den Namen «Comité international et permanent de secours aux militaires blessés» (Ständiges Internationales Komitee für die Verwundetenpflege), bevor es im Jahre 1875 den bis heute gültigen Namen «Comité international de la Croix-Rouge» (Internationales Komitee vom Roten Kreuz) annahm. Die ursprüngliche Namensgebung («international et permanent») lässt bereits wichtige und bis heutegültige Identitätsmerkmale des Genfer Komitees, ja der gesamten Rotkreuzbewegung erkennen:
    Die Selbstcharakterisierung als eine «ständige» Einrichtung war zunächst ein klarer und durchaus selbstbewusster Hinweis darauf, dass sich das Komitee von Anfang an nicht mit der Erfüllung des sehr engen und zeitlich befristeten Auftrages, dem ihm die Gemeinnützige Gesellschaft ursprünglich erteilt hatte, begnügen wollte. Im Grunde genommen hatte das Konzept Dunants, so wie es in «Eine Erinnerung an Solferino» niedergelegt war, ja überhaupt nur die Bildung «nationaler Hilfsgesellschaften» vorgesehen. Mit der nunmehr erfolgten Einrichtung einer zusätzlichen und faktisch auf Dauer angelegten (überstaatlichen) Organisationsebene war nicht nur der Grundstein für die einzigartig komplexe und damit – wenig verwunderlich – nicht immer konfliktfreie Organisationsstruktur der internationalen Rotkreuzbewegung gelegt worden. Diese Formulierung machte vielmehr auch deutlich, dass sich das Komitee, ebenso wie die noch zu schaffenden nationalen Gesellschaften, nicht wie bis dahin allgemein üblich auf zeitlich befristete karitative Aktionen beschränken wollte. Vielmehr sollte die gesamte Bewegung «ständig», das heißt auch in Friedenszeiten, aktiv sein, durch Aufklärungsarbeit ebenso wie durch die praktische Vorbereitung auf den Ernstfall. Auch dieser Ansatz erntete von Anfang an nicht nur Beifall, sei dies doch nichts anderes – so die Vertreter der Friedensbewegung – als ein «stillschweigendes Sanktionieren und Vorhersagen» des Krieges (Bertha von Suttner). Die Grundpositionen für ein bis heute zumindest latent bestehendes, immer wieder aber auch fruchtbares Spannungsverhältnis zwischen Rotkreuz- und Friedensbewegung waren damit definiert.
    Mit der Betonung seines «internationalen» Charakters erinnerte das Komitee daran, dass sein Projekt – in den etwas pathetischen Worten Dunants – «die ganze Menschheit, jedes Volk, jede Landschaft, sogar jede Familie» angeht und
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