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Das Rote Kreuz - Geschichte einer humanitaeren Weltbewegung

Das Rote Kreuz - Geschichte einer humanitaeren Weltbewegung

Titel: Das Rote Kreuz - Geschichte einer humanitaeren Weltbewegung
Autoren: Daniel-Erasmus Khan
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wird noch zurückzukommen sein. Immerhin, männliches Geschlecht und Zugehörigkeit zum protestantisch-liberalkonservativen Genfer Bürgertum stellen heute keine faktischen Zugangsvoraussetzungenzum Komitee mehr dar: Unter den derzeit (November 2012) 18 Mitgliedern finden sich vier Frauen – also nicht mehr wie in früheren Jahren nur die traditionelle Repräsentantin der Schwesternschaften. Und auch das bis 1923 exklusive und auch danach noch für viele Jahrzehnte dominante «Genfer Element» ist im Komitee inzwischen deutlich in der Minderheit.
    Genfer Konferenz 1863. Der Wohltätigkeitskongress in Berlin, auf dem das Komitee ursprünglich für seine Ziele werben wollte, war überraschend abgesagt worden. Auf seiner 3. Sitzung am 25. August 1863 beschloss das Komitee daraufhin, dass «einzig eine internationale Konferenz in Genf den Fortgang des Unternehmens sichern könne». Diese sollte bereits im Oktober desselben Jahres stattfinden und unter Mitwirkung von Regierungsvertretern und anderen Experten über Mittel beraten, «mit denen man dem Sanitätsdienst im Felde zu Hilfe kommen könnte». Ein auf den ersten Blick nicht nur im Hinblick auf den Zeitplan erneut völlig unrealistisches Unterfangen: «Wie! Mein Herr! Auf Ihr Ersuchen soll ich einen bayrischen Vertreter nach Genf schicken, zu einer Versammlung, die von Ihnen und andern mir unbekannten Privatleuten einberufen ist!», so lautete die nicht ganz unverständliche Reaktion des bayerischen Kriegsministers auf die ihm von Dunant nur zwei Wochen vor Beginn der Konferenz persönlich vorgetragene Bitte. Der Wortlaut des Anfang September versandten Einladungsschreibens an zahlreiche Regierungen und Philanthropen mochte in der Tat – je nach Standpunkt – mutig, tollkühn oder naiv anmuten: Eine Gruppe von fünf Privatpersonen wollte Regierungsvertreter («da ihre Mitwirkung für das Gelingen des Werkes unerlässlich ist») und Einzelpersonen als Vertreter von Privatinitiativen (Wohltätigkeitsvereine, Johanniterorden) an einen Tisch bringen, um mit ihnen über einen vom Komitee bereits ausgearbeiteten Übereinkommensentwurf («Sie finden dessen Inhalt beiliegend») zu diskutieren! Dennoch hatte die Initiative letztlich nicht nur in München, sondern auch auf allen anderen Stationen von Dunants über 3000 km langen Werbereise an deutsche und österreichische Fürstenhöfe (u.a. Karlsruhe, Darmstadt,Potsdam, Wien, Stuttgart) vollen und so sicher nicht erwarteten Erfolg. Die überraschend positive Resonanz – auch und gerade in preußischen Regierungskreisen – ermutigte Dunant sogar dazu, sein vom Komitee zur Steigerung der Erfolgsaussichten der Initiative noch sehr «souveränitätsschonend» formuliertes Mandat in einem entscheidenden Punkt zu erweitern. Statt der vollständigen Eingliederung der freiwilligen Hilfsdienste in die bestehenden militärischen Sanitätsstrukturen, die das Komitee noch als einzig realistische Option angesehen hatte, schlug Dunant nun ganz explizit die Neutralisierung der Hilfsdienste vor: «Dieselben Regierungen erklären, daß künftig das militärische Ärztepersonal und diejenigen, die von ihm abhängen, einschließlich der anerkannten, freiwilligen Helfer, durch die kriegführenden Mächte als neutrale Personen angesehen werden», so lautete der Kernpunkt der gemeinsam mit dem niederländischen Militärarzt Dr. Basting verfassten (neuen) Denkschrift. Ohne vorherige Rücksprache versandte er diese am 15. September 1863 «im Namen des Genfer Komitees» an die potentiellen Interessenten an der Genfer Konferenz. Im Nachhinein fand Dunant dieses eigenmächtige Vorgehen selbst «nicht ganz in Ordnung» – aber der Erfolg sollte ihm letztlich recht geben.
    Ganz so überraschend aber kam dieser Erfolg nicht – auch und gerade was die Neutralisierungsinitiative anging: Die auf der ersten Station der Reise Dunants, dem Weltkongress für Statistik in Berlin (6.–12. September 1863), versammelte (Militär-)Ärzteschaft konnte schwerlich etwas gegen Vorschläge einwenden, die ihre persönliche Sicherheit, aber auch ihre beruflichen Entfaltungsmöglichkeiten (umfassende Hilfe für Freund und Feind im Sinne des Hippokratischen Eides) entscheidend verbessern sollten. Nicht zufällig hatte ein preußischer Militärarzt hohen Ranges, Dr. Wasserfuhr, bereits 1820 in einer heute fast vergessenen und leider ohne praktische Resonanz gebliebenen Schrift in sehr eindringlichen Worten ganz Ähnliches gefordert wie nun 43 Jahre später
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