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Das Riff der roten Haie

Das Riff der roten Haie

Titel: Das Riff der roten Haie
Autoren: Heinz G. Konsalik
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jawohl, zum Teufel mit eurem, mit diesem, mit allen Tabus der Welt!
    ***
    Ron hatte während der Fahrt ein paar Kormorane auf der Riffbarriere gesehen. Und Möwen, die ihren Nistplätzen in den Felsen zuflogen. Eine leichte Brise war achtern aufgekommen, das Meer wurde unruhiger. Dies alles störte ihn nicht. Hatte er den Vorsprung dort umrundet, würde sich die ›Paradies‹ auf der Leeseite befinden.
    Nur eines machte ihm noch immer zu schaffen: der Gedanke an Tama.
    Als er aus der Lagune auslief, hatte er die Maschinen auf Niedrigtouren gehalten, um das Motorengeräusch so weit wie möglich abzudämpfen. Vielleicht hatte sie sein Auslaufen nicht gehört, aber inzwischen war eine Stunde vergangen, nun wußte sie längst Bescheid. Was immer im Dorf geschieht, jeder teilt es dem anderen mit. Selbst ihr Vater würde es wissen. Und wenn Afa auch nicht selbst zu ihr gekommen war, so wußte sie es von ihrer Schwester oder irgendeiner anderen Nachbarin: »Was will Ovaku? Wieso fährt er bei diesem Wetter mit dem Boot hinaus …«
    Gerade bei dem Wetter, dachte er erbittert. Gerade dann!
    Schon sah er auf der Steuerbordseite die beiden Felsen, die er wegen ihre Form ›Schwurfinger‹, genannt hatte. Steil erhoben sie sich über den Klippen, die die Ostseite der Bucht schützten. Auf der anderen Seite stieg die Bergwand hoch.
    Er nahm die Fahrt zurück.
    Dann schaltete er das Echolot ein. Die Titanenkräfte, die vor Jahrmillionen den Vulkan aus vielen tausend Metern Meerestiefe in die Höhe geschoben hatten, hatten an dieser Stelle eine steil abstürzende Schräge entstehen lassen. Sie war unter Wasser gleich einer Pyramide stufenförmig gegliedert. Auf der Seeseite, außerhalb der Bucht, hatte sich auf der obersten Stufe eine Austernbank gebildet. Vermutlich wuchs sie auf einer der abgestorbenen Korallenformationen, die die Brecher jedesmal abrasierten, wenn sie sich über die Oberfläche herauswagte. Jedenfalls zog sich die Austernbank bis tief hinein in die Bucht.
    Als Tama sie ihm zum ersten Mal gezeigt hatte, damals, vor fast zwei Jahren, war der seeseitige Teil der Bank unterhalb der Wand durch ein verankertes Seil gekennzeichnet gewesen, an dem die Kokosnüsse tanzten, die die Menschen von Tonu'Ata als Bojen benutzten.
    Er legte das Ruder nach Backbord. Langsam, ganz langsam glitt die ›Paradies‹ in die Bucht.
    Rons Augen versuchten das Wasser zu durchdringen. Er suchte Schatten. Nichts. Und wie gestern abend war auch keine Rückenflosse zu sehen.
    Falls tatsächlich Haie in der Bucht waren, falls ihr Wetterinstinkt versagte und sich das, was im ›National Geographic ‹ stand, als Journalisten-Mumpitz herausstellte, waren sie beim Herannahen des Bootes abgetaucht und hatten längst die offene See gesucht. Es war zwecklos, sich nach Flossen umzusehen.
    Er drehte den Kopf zum Echolot.
    Die grüne Digitalanzeige spulte ihre Zahlen ab. Vierhundert, fünfhundert, sechshundert Fuß … Die einzige Erhöhung, die der Boden bildete, war die Felsstufe, auf der sich die Bank hinzog. Niemand wußte so genau Bescheid über sie wie Tama und er. Jeden Meter kannte er.
    Irgendwo dort unten mußte das Wrack der ›Roi de Tahiti‹ ruhen, doch das graue, neblig-diffuse Licht nahm dem Wasser seine Transparenz. Es war kaum etwas zu erkennen.
    Er hielt sich näher an den Felssockel und wartete, bis die Zahlen auf einundzwanzig Fuß geklettert waren, dann ging er mit der Maschine auf Leerlauf und drückte die Ankertaste.
    Der Anker fiel.
    Eine Austernbank ist zwar kein idealer Grund, und damals, als sie hier tauchten, wäre ihm schon der Gedanke, ein solch tonnenschweres Ding mitten in seine geheiligten Austern, womöglich in ein Vermögen an Perlen zu werfen, als Wahnsinn, schlimmer noch, als wirklicher Frevel erschienen, aber diese Zeiten waren vorüber. Der Anker würde halten. Und darauf allein kam's an.
    Er schaltete die Motoren ab. Die ›Paradies‹ schwang in die Strömung.
    Das Wasser der Bucht lag dunkel, ruhig und still.
    ***
    Ron hatte die Tauchausrüstungen in den Spinden des Mannschaftsraums verstaut.
    Als er durch den schmalen Mittelgang ging, konnte er der Versuchung nicht widerstehen, öffnete die Tür der Eignerkajüte und schaltete die Beleuchtung an. Da war das Rundbett, der Spiegel darüber, den der frühere Besitzer, aus welchen Gründen auch immer, hatte anbringen lassen. In vielen leidenschaftlichen Nächten hatte auch Tama diesen Spiegel zu lieben gelernt. Da waren die Schleiflacktüren, die Schränke, das
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