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Das Riff der roten Haie

Das Riff der roten Haie

Titel: Das Riff der roten Haie
Autoren: Heinz G. Konsalik
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würde ein neugeborenes Kind nach der Perle greifen können, die ihm der Vater aus der Tiefe holte. Das ›Mana‹, die göttliche Kraft, die alles durchdrang, war erloschen.
    Das ist es, dachte Ron. Sie geben dir die Schuld. Nur dir. Deshalb wurde das Tabu ausgesprochen, daher ist für dich die Bucht mit dem Bannfluch belegt. Und vielleicht haben sie damit auch noch recht.
    Die Felsen sogen sich mit Schatten voll.
    Über ihm, am Weg, kollerte ein Stein. Er hörte Tama näherkommen, doch er blickte nicht hoch. Die Hände hingen zwischen seinen Knien. Er starrte hinunter auf das dunkel werdende Wasser der Bucht. Er sah nichts. Keine Dreiecksflosse. Keinen Schatten. Nur Stille.
    »Komm«, bat sie. »Komm, Ovaku, laß uns gehen.« Er bewegte sich nicht. Er gab auch keine Antwort. Aber er wußte jetzt, was er tun würde, nein – was er zu tun hatte …
    ***
    Sacht und rasch wie immer kam die Dämmerung. Der Weg war nur noch ein helles Band zwischen den Büschen, doch die ganze Zeit hielt sie seine Hand, so, wie man die Hand eines Kindes hält, das beruhigt und getröstet werden will.
    Auch jetzt sprachen sie kaum ein Wort. Da war nur das leise Geräusch ihrer Schritte. Was gab es auch schon zu sagen? Nichts. Aber die Berührung tat ihm gut.
    Auch bei den beiden Götterbildern hielt sie nicht an. Sie ging daran vorüber, als existierten sie nicht. Und dann kam die Wegbiegung, von der man das Dorf sehen konnte.
    Vor den Häusern und Hütten brannten die Feuerstellen. Rote, blinzelnde Lichtnester im Grau der Schatten. Hundegebell klang zu ihnen hoch und das Geschrei der Kinder. Die Dorfbewohner waren dabei, das Abendessen zuzubereiten.
    Vor zwei Jahren hatte Ron in seinen Anwandlungen von euphorischem technischem Missionarsgeist daran gedacht, das ganze Dorf mit elektrischem Strom zu versorgen. Der Generator, den er den ganzen Weg von Tahiti bis zur Insel gebracht hatte, war schließlich potent genug. Den notwendigen Sprit hätte er bei seinen Fahrten nach Pangai oder Neiafu, den Häfen der nächsten der Tongainseln, besorgen können. Aber Tápana, Tamas Vater, hatte nur abgewinkt: »Wir wollen das nicht, Ovaku.« Und warum sollten sie auch? Die Nacht zum Tag zu machen, wieso? Wer arbeitet schon bei Nacht? »Die Nacht ist zum Schlafen da oder um Liebe zu machen. – Du bist wirklich verrückt, Ovaku.«
    Und er hatte recht! Seit der französische Händler, der früher, vor Rons Ankunft, gelegentlich die Insel angelaufen hatte, nicht mehr erschien, blieb er der einzige, der wußte, daß Menschen auf Tonu'Ata wohnten. Auf den Seekarten war die Insel nirgends zu finden, sie lag außerhalb aller Seefahrtsrouten in einer ungünstigen Strömungszone. Vermutlich existierte sie auf irgendwelchen Satellitenaufnahmen, doch das wußte er nicht. In den Verwaltungen des Insel-Königreichs Tonga jedenfalls, zu dessen Gebiet sie ja eigentlich gehörte, nahm man keine Kenntnis von ihr. Und wann immer ein Linien- oder Privatpilot, den eine Sturmmeldung zum Ausweichen zwang, oder ein Yacht-Skipper, den eine falsche Peilung oder die Strömung vom Kurs brachte, die Insel zu Gesicht bekam, hatte er sie wohl für unbewohnt gehalten – so wie er selbst damals.
    Damals … er war als Schiffbrüchiger nach Tonu'Ata gekommen, hatte sich in der letzten Sekunde noch ins Schlauchboot retten können, ehe der Sturm die Reste seines Bootes an den Riffkorallen zersäbelte. Er war glücklich geworden auf dem kleinen Eiland, das ja. Und er hatte sich vorgenommen, das Geheimnis von Tonu'Ata mit allen Mitteln und um jeden Preis zu bewahren und zu verteidigen. Es war ihm gelungen – selbst gegen die Bande, die damals mit der ›Roi‹ in die Bucht gekommen war.
    Und ausgerechnet du, dachte er nun, ausgerechnet du Idiot hattest es dir in den Kopf gesetzt, Lichterketten zwischen den Häusern aufzuhängen! Du hast das halbe Dorf verkabelt, damit auch jeder, der zufällig in irgendeiner Mistmaschine darüber kriecht, sofort erkennt: Junge, da unten ist was los!
    Die Eingeborenen aber wußten es besser. Und so blieb am Ende die ganze technische Pracht auf sein eigenes Haus, die Werkstatt und die Häuser von Tamas Vater und ihrer Schwester beschränkt. – Und das war gut so …
    ***
    In dieser Nacht fand Ron keinen Schlaf. Seine Haut war schweißnaß. Er spürte es, als er schwankend, halb im Bett aufgerichtet, wild um sich griff und dabei das Gleichgewicht zu verlieren drohte.
    Mondlicht brach durch den Raum und verwandelte das Moskitonetz über dem Bett in ein
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