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Das Riff der roten Haie

Das Riff der roten Haie

Titel: Das Riff der roten Haie
Autoren: Heinz G. Konsalik
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dann war die Höhle wieder leer.
    Es war am Abend dieses Tages, an dem Ron Edwards zum ersten Mal aufstand, um die Höhle zu verlassen. Tama begleitete ihn. Sie wollte ihn stützen, aber er schüttelte den Kopf: »Bitte laß mich. Es geht doch! Es geht sogar wunderbar. Marschieren kann ich ja noch wenigstens allein …«
    Vor dem Eingang der Höhle war er stehengeblieben. Vom Tal, vom Dorf herauf vernahm man Hämmern und das Kreischen der Sägen. Der Platz war bereits freigeräumt. Und über dem Boden erhoben sich schon die ersten Baugerüste.
    »Es sieht aus wie in einem richtigen Ameisenhaufen, findest du nicht?« Fragend sah er Tama an.
    »Das ist es auch«, sagte sie lächelnd. »Wir sind jetzt lauter kleine Ameisen. Hendrik hat bei Lanei'ta schon die Rückwand hochgezogen, und er will auch uns helfen. Und mein Bruder, die ganze Familie, die auch. – Komm.«
    Er küßte seinen einen verbliebenen Zeigefinger und legte ihn ihr auf die Stirn. »Nein, Tama. Wir gehen woanders hin.«
    Sie sah ihn an. Sie hatte verstanden. Sie seufzte. »Na gut, wenn du willst.«
    Und so gingen sie wieder zum Paß. Ron vermied den Blick auf die Zerstörung, auf das helle, verwundete Holz der zersplitterten Bäume, auf die tiefen Furchen, die das Wasser gezogen hatte, auf die braunen Flächen der Schlammlawinen. Aber die Hibiskusbüsche blühten, leuchtend rot und rosa … Und dort drüben …
    Er blieb stehen.
    »Ich hab's dir doch erzählt: Es gibt ihn nicht mehr«, sagte Tama, als könne sie seine Gedanken lesen. Nein, es gab G'erenge nicht mehr! Es gab nur noch seine Schwester. Und die Strahlen der untergehenden Sonne umhüllten ihren glattgeschliffenen, dunklen Kopf mit einem zarten, rosafarbenen Hauch. Dann waren sie an der Bucht.
    Es schien alles so unbegreiflich! – Derselbe Himmel, eine goldgehämmerte Kuppel, durch die einzelne Wolken schwebten. Und die schwarzen Felsen. Das Rauschen der Brandung, das zu ihnen hochklang. Und es war nicht die Brandung allein, lauter als das Meer waren die Wasserfälle, die in weißen Strähnen, von Nebel umweht, in die Tiefe schossen.
    »Komm, Tama. Komm.«
    Sie setzte sich neben ihn. Lange saßen sie schweigend nebeneinander. Und lange brauchte es auch, bis in sein Bewußtsein das ganze Ausmaß der Veränderung eindringen konnte, das der Sturm gebracht hatte.
    Der Steilhang an der Ostseite der Bucht schien sich wie ein unförmiger Bauch nach vorne zu wölben. Die Steinlawine, die sich vom mittleren der drei Vulkane abgelöst haben mußte, hatte die Hälfte der Bucht unter sich begraben. Wie eine schwarzglänzende Sichel drängte der Geröllrand das Wasser zurück.
    Es gab keine Perlen mehr zu tauchen. Und es gab auch nicht die Wächter, die es ihnen verwehren sollten: die Haie.
    Aber wieder hatte sich das Meer mit einem tiefen Purpur, nein, mit tiefem Blutrot gefüllt. Und wieder sandte die Sonne ihre breite weiße Lichtstraße darüber hinweg. So wie damals, als selbst die Haischatten sich rot zu färben schienen.
    Es gab sie nicht mehr. Sie waren verschwunden …
    ***
    Tonu'Ata 16. September
    Lieber Gilbert, mein guter, alter Copain !
    Es ist überflüssig, ich weiß. Du hast es ja selbst erlebt, und wir haben Dich hier genug gefeiert – trotzdem will und muß ich es Dir nochmals sagen: Wir danken Dir! Die Freude über Dein unverhofftes Auftauchen steckt uns allen noch in den Knochen. »Schibe, Schibe!« – man hört es, wo man auch hinkommt. Sie werden Dir auf der Insel noch ein Denkmal setzen! Ich aber möchte meinen Arm um Dich legen und Dir sagen: Sieh, sieh dich um, was wir mit Deinem Saatgut gemacht haben! Siehst Du, wie es überall blüht? Wie schon die ersten Früchte reifen? Hendrik und Afa überbringen Dir den Brief mit der ›Paradies‹. Die wirst Du zwar kaum wiedererkennen, so sonderbar sieht sie aus, wir haben sie nun mal zusammengeschustert, so gut es ging. – Wir? Das ganze Dorf! Hendrik voran …
    Aber sie schwimmt. Und darauf kommt es an. Hendrik wird Dir zeigen, was an ihr in Neiafu in Ordnung zu bringen ist, und ich bin sicher, Du wirst ihm helfen. Die Kosten? Auch für die paar Werkzeuge und Radio-Ersatzteile, die wir noch brauchen … Lieber Schibe, wir werden sie, wie immer, mit Perlen begleichen. Nimm das in Deine Hände. Du kannst es unbesorgt: Es sind nicht Perlen aus der Bucht, das ist für ewig vorbei … die Frauen haben sie uns gegeben. Was wir sonst noch brauchen, ist wenig. Wie hast Du mir mal gesagt? »Der Mensch ist nichts anderes als eine Funktion
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