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Das Riff der roten Haie

Das Riff der roten Haie

Titel: Das Riff der roten Haie
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Schlepperei wird es dann vielleicht auch einfacher werden.«
    Sie nickte und verschwand. Sie kam mit zwei breiten Ladegurten mit Bügelverschlüssen zurück. Sie hatte sie im Handumdrehen gefunden. Nun kroch auch Antau in die Kabine und brachte weitere Stricke.
    Sie arbeiteten schweigend und in fliegender Hast. Ron hielt die ganze Zeit die Augen geschlossen, doch Herzschlag und Atmung schienen weiterhin stabil. Hendrik fragte sich, ob Ron wach war oder ob er das Bewußtsein erneut verloren hatte. Auch das war jetzt nicht wichtig. Nichts war wichtig, nur eins: ihn hier rauszubekommen und dann den Berg hochzuklettern, ehe der Hurrikan erneut begann …
    ***
    Es war ein Traum, was sonst?
    Ron schwebte. Er schwebte durch einen langen Korridor. Die Wände wuchsen in endlose Höhen, es waren Wände aus glattem, poliertem Stahl; ja, er schwebte, fühlte sich völlig schwerelos. Er trug zwar Schlittschuhe an den Füßen, aber er schwebte wie ein Lufthauch über das Eis. Es war das Eis des Rotberg-Sees, das Eis, auf dem er in den langen Eifel-Wintern seiner Jugend Schlittschuh gelaufen war. So wie jetzt – einfach nur so hinwegschweben, sich drehen …
    D U HAST ES SO GEWOLLT , O VAKU !
    Ja. O ja, mein Alter … Ich habe es so gewollt! Ruf mich nicht. Du hast recht … Nur, daß …
    Ein Knistern übertönte die Metallstimme. Nein, das will ich nicht … Nicht die Risse, die sich schwarz auftaten, nicht das schwarze Wasser, das aus den Rissen hervorquoll … Ins Eis brechen, das – nein … o nein … Aber die Risse konnten ihm nichts anhaben … Er schwebte ja.
    »Verflucht noch mal!« rief eine Stimme, und der Ruf hatte seltsamerweise ein Echo. »Verflucht noch mal! Verflucht noch mal … noch mal«, hallte es. Und dann: »Antau … Paß auf …«
    A NTAU ? – Wer war Antau? Paß auf. Ja, paß auf …
    Er fiel jetzt, schlug auf und spürte nicht das Geringste. Es war so, als wäre sein Körper eine Hülse aus Ton, eine zerbrechliche Hülse vielleicht … zerbrechlich, aber ohne jede Empfindung.
    Seine Lungen zogen sich zusammen. Der Magensaft, der in seine Mundhöhle schoß, hinterließ einen leichten, fast unmerklich bitteren Geschmack.
    Ron schlug die Augen auf. Über ihm – Schatten. Um ihn ein an- und abschwellendes Geräusch. Das kannte er, dieses Rauschen, es hatte ihn ewig begleitet und würde immer sein …
    »Hier kommen wir nicht weiter. So geht das nicht, gottverdammich!«
    Die Stimme dröhnte, sie füllte seinen Schädel. Wie die Stimme Gottes … Doch Gott würde niemals sagen: ›So geht es nicht weiter.‹ Gott wußte stets den richtigen Weg …
    »Ovaku? – Hast du Schmerzen? Paß auf jetzt …« Ovaku! Ovaku, Ovaku … Das war er selbst. Und wer da rief – Tama!
    Die Erinnerung nistete sich in sein Bewußtsein, schob ihre Fühler aus, und dann wurden die Dinge klar: Ovaku! – Er wußte, woher das Wasser kam, und er wußte, was das Rauschen bedeutete. Er wußte alles …
    ***
    Für den Rückzug zur Höhle hatten sie sich zu einem anderen Weg entschlossen.
    Wie ein Wall verschloß ein Gewirr aus abgebrochenen Ästen und umgefallenen oder abgeknickten Stämmen das Wrack der ›Paradies‹.
    Afa'Tolou hatte eine Schneise gebahnt, durch die sie den breiten Ziehweg zur Lagune erreichen konnten. Antau und Hendrik Merz trugen die Tür mit der Last des reglosen Körpers. Tama half, wann immer die beiden Männer rutschten oder ein neues Hindernis auftauchte, auch dann, als die Last für Antau zu schwer wurde.
    Sie hatten bereits den westlichen Dorfausgang erreicht, befanden sich am Fuß des Hanges, als Antau endgültig in die Knie ging. Er keuchte und schüttelte den Kopf. Tama packte zu. Sie wußte selbst nicht, woher ihr die Kräfte zuwuchsen, aber sie trug minutenlang die Last alleine – bis Afa zurückkam, um sie ihr abzunehmen.
    Der Weg war unter den Schlamm- und Geröllmassen kaum zu erkennen. Trotzdem boten die auf der Hangseite vorspringenden Felsen einigermaßen Schutz.
    Es war der Weg, der hinauf zum Paß führte. Von oben würden sie die Höhle erreichen …
    Die beiden Götterbildnisse blickten seit Menschengedenken über Bucht und Meer. Niemand auf der Insel wußte zu sagen, wer die Köpfe von G'erenge und seiner Schwester Onaha aus dem Stein geschlagen hatte. Auch in den ältesten der vielen Legenden, die auf Tonu'Ata erzählt wurden, wurde der Name des Mannes nicht genannt. Wie alles andere war er längst selbst zu Erde und Staub geworden.
    G'erenge und Onaha aber bewachten weiter die Insel,
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