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Das Riff der roten Haie

Das Riff der roten Haie

Titel: Das Riff der roten Haie
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Schimmern der hellblauen Bespannung und das dunkle, tiefe Blau des Teppichbodens. Und über allem hing ein zarter süßer Duft.
    Er sog die Luft ein. Vielleicht das Parfum, das sie in Papeete gekauft hatten, bei Tamas erster und einziger Reise in die große, sonderbare, fremde weite Welt. Vielleicht auch eine Erinnerung an das Blütenöl, das die Soafatine, die alten Frauen von Tonu'Ata, für ihre Töchter mischten.
    Tama! – dachte er. Der Spiegel warf sein Ebenbild zurück. Sein Gesicht schien ihm noch knochiger als sonst. Das blonde, ausgebleichte Haar wirkte beinahe weiß.
    Hastig schaltete Ron das Licht aus, verließ den Raum, holte Tauchmaske, den Moltoprenanzug, Messer und schließlich auch die Trägerweste mit der aufgeschnallten Preßluftflasche heraus. Er kontrollierte ihren Druck. Stimmte haargenau. Sie waren vor sechs Wochen zuletzt getaucht, nicht in der Bucht, sondern draußen in der Lagune. Er hatte die Flaschen anschließend sofort wieder mit dem Kompressor gefüllt.
    Er zog die Shorts aus, stieg in den Anzug, zerrte Reißverschlüsse zu und hakte das schwere Gerät auf dem Rücken fest, zog die Handschuhe an, prüfte den Sitz des Messers, nahm dann die Flossen und den Ring der Kopflampe in die Hand und wollte gerade die Kajüte verlassen, als ihm noch etwas einfiel.
    Der Haistock! Wo steckt das Ding, verflucht noch mal? Da hast du dir so viel Mühe gegeben, dir in der Werkstatt eine zwanzig Zentimeter lange Stahlspitze zurechtzufeilen, sie dann auf den Stock gesetzt – und jetzt? Wo ist der blöde Stock?
    Er fand ihn im rechten Spind unter Tamas Ausrüstung.
    Dann ging Ron durch den Salon zurück, öffnete die Schiebetüren und trat hinaus. Die Farben schienen noch düsterer geworden zu sein. Auch das Geräusch der Wellen, die dort drüben gegen Wand und Klippen schlugen, hatte zugenommen. Dunst verbarg den Blick auf Meer und Berge.
    Zum Überlegen war's nun zu spät. Und es gab auch nichts zu überlegen. Wir nannten sie auf Tonu'Ata die göttliche Kraft, die einen Mann auszeichnet und die ihm nur der Häuptling oder Priester wieder nehmen konnte? – Mana …
    Er würde sich, verdammt noch mal, sein ›Mana‹ wiederholen. Und kein dämliches Tabu, kein Hai oder sonst was würde das verhindern!
    Ron zog die Flossen an, streifte sich Maske und Lampe über den Kopf und ließ sich rücklings ins Meer fallen. Jetzt wollen wir mal sehen, was wird, dachte er, als das Wasser über ihm zusammenschlug. Lange genug hab' ich mich unterbuttern lassen. Jetzt ist Schluß! Die Bucht hat mich wieder!
    ***
    Es war wie immer. Und es war schön.
    Er trieb dicht über den dunkel schimmernden Wall der Bank. Im fahlen Strahl der Lampe wurde jede Kontur deutlich und klar. Die Fische stoben auseinander, als er näher glitt. Das dort drüben war ein rosa Steinfisch, dann überraschte er zwei Panther-Flundern. Und nun sah er es auch schon, die schwarzsilbern gewellten Kanten der Perlaustern. Sie schienen sich ihm zuzuneigen. Er brauchte nur die Hand auszustrecken, das Messer zu ziehen – wie früher.
    Doch heute ging es nicht um Austern. Nein, nur um eines ging es, um das: »Du wolltest es doch so, Ovaku …« Es galt, die Stimme eines Toten zum Verstummen zu bringen.
    Das Atemventil rasselte. Ron konnte den Schlag seines Herzens daran messen. Und der war ruhig, ganz ruhig.
    Okay, da bin ich! Und ihr, ihr Scheißhaie, wo steckt ihr?
    Er hatte sich in einem engen Bogen von der Bank abgewandt und hing nun über ihrem mit Seegras bewachsenen, breiten Sockel aus abgestorbenen Korallen.
    Der Lichtarm der Stirnlampe reichte nicht weit, zehn, zwölf Meter höchstens, schätzte er. Was ihn umschloß, blieb undeutlich. Die Wolken oben über der Wasserfläche mußten noch dichter geworden sein, denn nie hatte er die Bucht in dieser Beleuchtung, in einem derartigen Dunkel, erlebt.
    Er ließ die Lampe wandern. Das einzige, was ihr Lichtstrahl festhielt, waren der dicke Kopf einer Muräne und drei Korallenfischchen. Winzige, weißliche Partikel, die die Schwimmflossen aus der Austernbank gerissen hatten, stiegen vor ihm auf.
    Wo sind sie, deine Haie, Nomuka'ta? Na los schon, zeig sie mir!
    Abwegig verrückt, nein, albern mochte es sein, doch er wurde den Namen Nomuka'ta nicht los.
    Sieh doch, Alter! Hier bin ich!
    Und? Wo sind deine Haie?
    Aber weder Nomuka'ta noch G'erenge, der böse Gott der Haie und des Sturms, gaben eine Antwort.
    Ron durchschwamm die ganze Bucht und kehrte zurück, glitt jetzt mit ausgestreckten Händen über die
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