Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Reliquiar

Das Reliquiar

Titel: Das Reliquiar
Autoren: Emma Seymour
Vom Netzwerk:
Wellenkamm.
    Dann wurde der Kapitän vom Ruder fortgerissen, rollte übers Deck und stieß gegen die Reling. Der Aufprall betäubte ihn halb, aber er schüttelte die Benommenheit ab, kletterte über Trümmer hinweg und schleppte sich zum großen Rad, das sich ganz allein drehte. Völlig erschöpft erreichte er das Ruder und versuchte, es mit blutigen Händen zu packen und festzuhalten.
    Schließlich verlor er den Kampf und stieß einen letzten Schrei aus.
    Erneut richtete sich das Schiff auf, und als es zurückfiel, schlug es mit solcher Wucht aufs Wasser, dass es in zwei Stücke zerbrach. Sie sanken fast gleichzeitig und zogen die letzten noch lebenden Männer und die ganze Fracht mit in die Tiefe.

Edinburgh, 1. Oktober 2006
    »Ich sollte diese alte Karre endlich verschrotten und mir einen neuen Wagen kaufen«, sagte Nicholas und nahm die Straße nach Edinburgh. Es regnete so stark, dass die Scheibenwischer kaum klare Sicht schaffen konnten. »Aber ich finde es toll, dass du gekommen bist. Mit dir habe ich bestimmt nicht gerechnet. Warst du nicht im Nahen Osten?«
    Elena nickte. »Mit einer wichtigen Expedition in der syrischen Wüste. Leider gab es ein Problem, das uns dazu gezwungen hat, die Arbeiten zu unterbrechen und vorzeitig heimzukommen.«
    »Etwas Ernstes?«, fragte Nicholas.
    »Ja«, antwortete Elena. »Wir waren ziemlich erledigt, als wir alles hinter uns hatten, aber ich würde trotzdem sofort zurückkehren, wenn ich könnte. Leider ist die politische Lage dort alles andere als stabil, und deshalb sind die Ausgrabungen bis auf Weiteres eingestellt. Der Direktor hat mich in den Urlaub geschickt.«
    »Du klingst enttäuscht...«
    »Ich bin mehr als nur enttäuscht. Ich bin sauer. Wir waren einem jahrtausendealten Geheimnis auf der Spur – die Entdeckung hätte überall auf der Welt Schlagzeilen gemacht. Ich habe Monate gebraucht, um die bei den vorherigen Ausgrabungen gefundenen Tafeln zu entziffern und die Stelle zu identifizieren, an der das Fundstück vergraben liegt. Es ist sehr frustrierend, all das aufzugeben.«
    »Kann ich mir denken. Darfst du mir sagen, um was es sich handelt, oder ist das vertraulich?«

    »Wenn ich es dir sagte, müsste ich dich anschließend umbringen«, erwiderte Elena und lachte.
    »Es gefällt mir, wenn du die Rätselhafte spielst. Bei meiner Arbeit gibt es keine verborgenen Schätze, die darauf warten, ans Licht gebracht zu werden. Obwohl die Experimente durchaus etwas Geheimnisvolles an sich haben.«
    »Du beschäftigst dich immer noch mit Psychologie, nicht wahr?«
    »Ich arbeite als Assistent von Professor Norman Walton, der sich auf hypnotische Regression spezialisiert hat. Er verwendet Hypnose in therapeutischer Absicht und geht davon aus, dass das erneute Erleben eines Traumas die betreffende Person von der Psychose befreit, die auf ihr lastet. Während der Sitzungen kommt es vor, dass ein Patient mit seinen Erinnerungen bis in ein früheres Leben zurückkehrt. Und von Verfälschung oder Täuschung kann dabei nicht die Rede sein: Die Personen befinden sich in tiefer Trance, und die von ihnen geschilderten Details können meist unmöglich aus ihrem Wissen stammen. Zwar zeichnen sie sich durch eine besondere Sensibilität aus, aber die Ergebnisse sind trotzdem außergewöhnlich. Walton hat sich immer mehr auf diese Sache konzentriert und ist damit sehr erfolgreich. Du ahnst nicht, wie viele Leute bereit sind, sich einer Regression zu unterziehen, um festzustellen, ob sie ein früheres Leben hatten. Meistens sind es übrigens Frauen, die unbedingt herausfinden wollen, ob sie die Heldinnen irgendeines gefühlsseligen Dramas gewesen sind. Aber Walton trifft eine sorgfältige Auswahl und lehnt viele Anfragen nach einer ersten Überprüfung ab.«

    »Will Walton etwa beweisen, dass die Reinkarnation nicht nur reine Fantasie ist?«
    »Seine Studien und Experimente sind streng wissenschaftlich. Mit dem sogenannten ›Paranormalen‹ hat das nichts zu tun.«
    »Seit wann arbeitest du für ihn?«
    »Seit ungefähr zwei Jahren. Ich war als Hilfskraft bei Professor Charbonnier tätig, einem anderen Forscher, der sich auf dieses Fachgebiet spezialisiert hat. Anschlie ßend habe ich mit Walton Kontakt aufgenommen, und er gab mir einen Vorstellungstermin. Kurze Zeit später stellte er mich als seinen Assistenten ein. Ich sei die richtige Person für ihn, meinte er.«
    »Und so hat es dich hierherverschlagen.«
    »Ja. Ich habe es nicht bereut.Walton ist ein großartiger
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher