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Das Reliquiar

Das Reliquiar

Titel: Das Reliquiar
Autoren: Emma Seymour
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Dino del Vecchio ein. »Sie wollen bestimmt keinen diplomatischen Zwischenfall provozieren. Es wird alles gut, wenn wir nicht den Kopf verlieren.«
    »Ich hätte nicht hierherkommen sollen«, brummte Sandro, kein bisschen beruhigt. »Mein Vater hat mir immer gesagt, wie gefährlich es ist.Wenn ich doch nur auf ihn gehört hätte.«
    »Ich bin ganz deiner Meinung«, sagte Elena trocken. »Es wäre besser gewesen, wenn du dich unter den Fittichen deines Vaters verkrochen hättest, statt an dieser Expedition teilzunehmen.«
    Der junge Mann warf ihr einen finsteren Blick zu, ging dann und setzte sich in eine Ecke.
    »Bist du nicht ein bisschen zu hart mit ihm?«, fragte Dino leise. »Es ist das erste Mal, und du musst zugeben, dass die Situation außergewöhnlich schwierig ist.«
    »Du brauchst mich nicht daran zu erinnern«, seufzte Elena. »Ich fühle mich auch so schon verantwortlich genug. Ich hätte bessere Vorsichtsmaßnahmen treffen müssen.«
    »Wie hättest du einen Aufstand vorhersehen können? Es ist nicht deine Schuld.«
    Elena lächelte. »Hoffen wir, dass sich alles regelt.«
    Es war natürlich nicht ihre Schuld, aber in den vergangenen
Tagen hatte es gewisse Hinweise gegeben, die sie als Expeditionsleiterin nicht hätte unterschätzen dürfen. Sie war von der Zuverlässigkeit des für die Ausgrabungen zuständigen lokalen Personals ausgegangen und hatte deshalb geglaubt, auf bewaffneten Begleitschutz, wie von den Behören in Damaskus vorgeschlagen, verzichten zu können. Das war ein Fehler gewesen, aber vielleicht hätte die Situation keine schlimme Wendung genommen, wenn sich die Arbeiten nicht so lange hingezogen hätten und es nicht zu einigen Zwischenfällen gekommen wäre, die den Aberglauben der Arbeiter geweckt hatten. Und dann auch noch der Sandsturm. Alles zusammen führte schließlich zu der Revolte. Als die Männer die Ausgrabungsarbeiten unterbrechen wollten, hatte Elena geglaubt, mit einer Lohnerhöhung alle Probleme aus der Welt schaffen zu können, zumal die heiß ersehnte Entdeckung alle für ihre Mühen entschädigt hätte. Deshalb hatte sie den geheimen Treffen ebenso wenig Bedeutung beigemessen wie den feindseligen Blicken und dem zunehmenden Widerwillen, mit dem die Männer auf Anweisungen reagiert hatten. Das Ergebnis war, dass sie schließlich die Kontrolle über die Situation verloren hatte.
    Irgendwie war es den Arbeitern gelungen, sich Waffen zu beschaffen, und damit hatten sie die Mitglieder der Expedition bedroht und gezwungen, ihnen alles auszuhändigen, auch das für die Lohnzahlungen bestimmte Geld im Safe des Lagers. Elena hatte vergeblich versucht, sie zur Vernunft zu bringen, und war zusammen mit den anderen in einem Schuppen eingesperrt worden, ohne Handy oder Funkgerät. Sie konnten nur
hoffen, dass die Männer sie nach dem Sandsturm gehen ließen.
    Das Gemurmel der in ihrem Rucksack kramenden Monica weckte Elenas Aufmerksamkeit, und sie näherte sich ihr zusammen mit Dino. »Was suchst du?«
    »Mein zweites Handy«, antwortete Monica, ohne aufzusehen. »Ich hab’s zwischen die schmutzige Unterwäsche gelegt, aber ich finde es nicht... Ah, da ist es!« Sie lächelte. »Damit können wir unsere Botschaft anrufen und auf unsere Situation hinweisen.«
    Es war typisch für Monica, an Notfälle zu denken. »Sehr weitsichtig von dir«, kommentierte Elena. »Aber du wirst das Ende des Sandsturms abwarten müssen. Bis dahin verhindern die elektrostatischen Störungen eine Verbindung.«
    »Daran habe ich nicht gedacht«, erwiderte Monica enttäuscht. »Ich könnte es trotzdem versuchen. Mit ein wenig Glück...«
    Elena nickte. »Nur zu.«
    Monica gab die Nummer ein, hörte jedoch nur Knistern und Rauschen. »Nichts zu machen. In einigen Minuten versuche ich es noch einmal.«
    »Unterdessen tröste ich Sandro«, sagte Elena.
    Dinos Blick folgte ihr, als sie sich dem jungen Mann näherte, der noch immer in der Ecke hockte. »Eine starke Frau, obgleich sie noch jung ist«, bemerkte er.
    »Ja, aber sie hat auch ihre Schwächen«, erwiderte Monica und behielt das Display ihres Handys im Auge.
    »Dann versteckt sie sie aber gut, denn bisher ist mir nichts aufgefallen.«
    »Du würdest so etwas nicht einmal sehen, wenn es
sich direkt vor deiner Nase befände«, murmelte Monica.
    »Klär mich auf. Worin bestehen denn Elenas Schwächen?«
    »Versteh mich nicht falsch. Zuerst einmal verbergen sich hinter der Maske aus Selbstsicherheit Feinfühligkeit und Sensibilität. Und nicht nur das.
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