Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Reich der Sieben Städte

Das Reich der Sieben Städte

Titel: Das Reich der Sieben Städte
Autoren: Steven Erikson
Vom Netzwerk:
und ihre Wut richten konnte. Dann folgte die Wiederherstellung der Ordnung, damit die Stadt nicht in Flammen aufging.
    Die Imperatrix machte nur wenige Fehler. Sie hatte die Gelegenheit genutzt, die Unzufriedenen und die unangepassten Gelehrten zusammenzutrommeln, die eiserne Faust militärischer Präsenz um die Hauptstadt zu schließen und die Trommel dafür zu rühren, dass mehr Truppen benötigt wurden – mehr Rekruten, mehr Schutz gegen die verräterischen Ränke des Adels. Die beschlagnahmten Vermögen dienten dazu, diesen Ausbau des Militärs zu bezahlen. Ein genialer Schachzug, selbst wenn man vorgewarnt war, und einer, der sich mit der Macht eines Imperialen Dekrets im Imperium ausbreitete; die grausame Wut tobte jetzt in jeder Stadt.
    Man konnte dies alles nur voller Bitterkeit bewundern. Heboric hätte immer noch am liebsten ausgespuckt, etwas, das er seit seinen Tagen als Taschendieb im Mausviertel von Malaz nicht mehr getan hatte. Wenn er die Reihe der Angeketteten entlangblickte, konnte er in den meisten Gesichtern den Schock sehen. Gesichter, deren Besitzer zumeist nur ihr Nachtgewand trugen, das jetzt dreckig und verschmiert von den Gruben war und seinen Trägern somit sogar den gesellschaftlichen Panzer angemessener Kleidung raubte. Wirr abstehendes Haar, wie betäubt wirkende Mienen, gebrochene Haltung – alles, was der Mob jenseits des Ringes sehen wollte, wonach er hungerte ...
    Willkommen auf der Straße, dachte Heboric, als die Wachen die Reihe der Angeketteten vorwärts stieß; hoch aufgerichtet in ihrem Sattel, schaute die Mandata zu. Ihr schmales Gesicht war dabei so angespannt, dass nur noch Linien übrig blieben – zu Schlitzen zusammengekniffene Augen, der gerade, fast lippenlose Mund kaum mehr als ein Strich –, verdammt, aber sie hat von Geburt an wohl auch nicht gerade viel mitbekommen ... Das gute Aussehen war an ihre jüngere Schwester gegangen, an das Mädchen, das einen Schritt vor ihm dahinwankte.
    Heboric fixierte Mandata Tavore. Neugierig, als würde sie irgendetwas suchen – etwas, das ihr einen kurzen Augenblick hämischer Befriedigung verschaffen würde, beispielsweise –, glitt ihr kalter Blick die Reihe entlang und blieb einen Herzschlag lang an ihrer Schwester hängen. Aber dieses kurze Verweilen war auch schon alles, lediglich das Eingeständnis, dass sie sie erkannt hatte, mehr nicht. Ihr Blick glitt weiter.
    Zweihundert Schritte voraus, kurz vor dem Kopf der Schlange aus Aneinandergeketteten, öffneten die Wachen das Osttor. Ein Aufbrüllen flutete durch den alten Torbogen heran, eine Woge von Geschrei, die sowohl die Soldaten als auch die Gefangenen zusammenzucken ließ, während sie von den hohen Wällen abprallte und inmitten eines Durcheinanders aufgeschreckter Tauben von den oberen Dachgesimsen in die Höhe stieg. Das Geräusch schlagender Flügel klang herab wie höflicher Beifall, obwohl es Heboric so vorkam, als wäre er der Einzige, der diese Ironie der Götter zu würdigen wusste. Da ihm eine Geste keineswegs verboten war, verbeugte er sich leicht.
    Soll der Vermummte seine verdammten Geheimnisse doch für sich behalten. Sieh her, Fener, du alter Eber, es ist die Narbe, an der ich mich nie kratzen konnte. Schau jetzt zu, schau genau zu, was aus deinem ungeratenen Sohn wird.
    Ein Teil von Felisins Bewusstsein klammerte sich an ihren klaren Verstand, klammerte sich angesichts des Mahlstroms, der sich vor ihr auftat, regelrecht brutal daran fest. Drei Reihen tief waren die Soldaten links und rechts der Säulen-Avenue aufgereiht, doch wieder und wieder schien der Mob Schwachstellen in ihrer Aufstellung zu finden. Sie stellte fest, dass sie selbst dann noch nüchtern und kühl beobachtete, als Hände an ihr zerrten, Fäuste auf sie eindroschen, verschwommene Gesichter sich ihr entgegenstellten und sie anspien. Und genau wie ihre Zurechnungsfähigkeit in ihrem Innern standhielt, so hielten sie auch ein paar starke Arme umfangen – Arme, an denen sich keine Hände mehr befanden, sondern nur noch narbige, eiternde Stümpfe, Arme, die sie vorwärts stießen, immer nur vorwärts. Niemand berührte den Priester. Niemand wagte es. Und vor ihr war Baudin, noch erschreckender als der Mob selbst.
    Er tötete mühelos. Voller Verachtung schleuderte er Körper beiseite, brüllte und gestikulierte dabei. Selbst die Soldaten starrten ihn unter ihren Helmen hervor an, ihre Köpfe drehten sich bei seinem Spott, ihre Hände schlossen sich fester um Pikenschäfte oder
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher