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Das Raetsel von Flatey

Das Raetsel von Flatey

Titel: Das Raetsel von Flatey
Autoren: Viktor Arnar Ingólfsson
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Kjartan
goss sich den Kaffee ebenfalls in das Glas, lehnte aber dankend ab,
als Ingibjörg Milch und Würfelzucker anbot. Die
Männer schlürften den heißen Kaffee, stöhnten
zufrieden und rülpsten.  
     
    Högni sagte: »Ich hab mal
einen Mann gekannt, der sagte, dass Gott den Menschen den Kaffee
als Entschädigung für einen langen Arbeitstag im
Schweiße ihres Angesichts geschenkt hat. Aber ich fand es
eigentlich immer ziemlich überflüssig, jemanden
dafür zu entschädigen, dass er sich von seiner Hände
Arbeit ernährt. Trotzdem tut ein Schluck Kaffee immer gut, und
Gott sei gedankt dafür.«
    Kjartan nickte
zustimmend.
    »Jetzt ist man so langsam
für alles gewappnet, was auf einen zukommen mag«,
verkündete Grímur, strich sich über den Bauch und
trank den letzten Schluck Kaffee aus dem Glas. »Mit wohl
gefüllten Mägen legen sich Gespenster und
Wiedergänger nicht gern an«, fügte er
hinzu.
    Högni lachte und meinte:
»So was nennt man Gemeindevorsteherweisheit und ist
natürlich völlig unbewiesen.«
    Bevor sie sich auf den Weg machten,
holten die Männer zwei Schaufeln aus Grímurs Kuhstall.
Kjartan fragte, wozu sie die denn brauchen
würden.
    »Man hebt eine Leiche, die den
ganzen Winter herumgelegen hat, nicht mit den bloßen
Händen auf. Nicht direkt nach dem Mittagessen«,
antwortete Grímur und wischte den Kuhmist am Spatenblatt mit
einem Grasbüschel ab, das er an der Stallwand abgerupft
hatte.
    Kjartan ging hinter den beiden
Männern mit den geschulterten Spaten durch das Dorf hinunter
zum Kai. Högni zog das Boot heran, und sie stiegen ein.
Grímur löste die Vertäuung und kurbelte den Motor
an. Sie legten ab und nahmen zunächst Kurs nach Westen, um die
Spitze der Insel zu umfahren.
    Der Gemeindevorsteher wies Kjartan
auf das Leuchtfeuer von Flatey hin, das auf einer kleinen
Schäre vor der Hafeneinfahrt stand. An der westlichen Spitze
kam Endenkate in Sicht, das Haus halb eingegraben in die
Böschung oberhalb des Spülsaums des Meeres. Ein kleiner
eingezäunter Kartoffelacker nahe dem Hof war erst vor kurzem
umgegraben und die dunkelbraune Erde ordentlich zu kleinen
Dämmen aufgehäufelt worden. Ein kleiner Junge saß
auf einem Stein am Ufer und beobachtete sie.
    »Da sitzt der kleine
Nonni«, sagte Grímur. »Er ist genauso
eigenbrötlerisch wie sein Vater und sein Großvater. War
er nicht im Winter bei dir in der Schule,
Högni?«
    »Doch, doch, und das
Bürschlein kann lernen, aber er befasst sich immer nur mit
einer Sache auf einmal. Er konnte sich in Botanik tagelang mit
einer einzigen Seite beschäftigen, und währenddessen war
es nicht möglich, ihn für etwas anderes zu interessieren.
In der folgenden Woche waren es dann vielleicht die Sterne. Er kann
aber schon ziemlich gut lesen und auch ein bisschen
rechnen.«
    Högni schaute zum Land
hinüber und fuhr fort: »Valdi von Endenkate, der Vater
des kleinen Nonni, ist auch ein ziemlicher Sonderling. Der Mann
kritzelt ständig unnützen Kram in irgendwelche Kladden.
Wetterbeobachtungen, oder wer mit dem Postboot kommt und geht, wer
zum Gottesdienst kommt und wer nicht. Und Jón Ferdinand, der
Alte, der ist wahrscheinlich schon in die zweite Kindheit gekommen.
Er hört auch kaum noch was. Valdis Frau Hulda, die hat schon
längst die Nase voll von diesem Klüngel. Sie arbeitet als
Küchenmädchen bei einer Straßenbaukolonne auf dem
Festland und kommt praktisch nie nach Hause. Sie schickt bloß
manchmal Geld, damit sie die Milch für den kleinen Nonni
kaufen können, und vielleicht etwas zum Anziehen für
ihn.«
    Kjartan sah, dass der Junge sich
irgendetwas vor die Augen hielt, das in der Sonne blinkte, und das
Boot beobachtete. Nach einer Weile sprang er auf, lief zum Haus und
verschwand darin.
    Als Nächstes kamen der neue Kai
und das Gefrierhaus in Sicht. Dort lagen drei offene Motorboote und
noch ein größeres mit Deckaufbauten. Das kleinste Boot
war schwarz, die anderen weiß angestrichen.
    »In letzter Zeit ist nicht viel
gefangen worden«, sagte Grímur. »Deswegen ist
heute auch niemand zum Fischen ausgefahren.«
    »Sie haben wohl auch kein Geld
für Treibstoff«, sagte Högni. »Wahrscheinlich
ist ihnen der Kredit bei der Genossenschaft gesperrt
worden.«
    »Dann müssen sie eben
segeln«, sagte Grímur. »Das können die
Männer von Endenkate jedenfalls noch. Sie können im
Zweifelsfall einen Mast aufrichten und Segel setzen, wenn sie kein
Geld für Paraffin haben. Ihnen gehört das schwarze Boot
da. Es heißt
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