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Das Raetsel der Liebe

Das Raetsel der Liebe

Titel: Das Raetsel der Liebe
Autoren: Nina Rowan
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vorbeiflogen, denn das Universum war mit Sicherheit aus den Fugen geraten, wenn Lydia Kellaway ihr Notizbuch verlegt hatte. »Wann hast du es denn zuletzt benutzt?«
    »Oh … gestern Abend.« Lydia kaute auf ihrer Unterlippe, und ihre Augen nahmen einen seltsam verzweifelten Ausdruck an. »Na ja, kein Grund zur Sorge. Ich bin sicher, es taucht wieder auf.« Sie lächelte zu Jane herüber. »Mrs Driscoll sagt, es gibt Löffelbiskuit zum Tee.«
    »Das wäre schön.« Jane würzte ihre Stimme mit einer Prise Enthusiasmus. Sie mochte Löffelbiskuit, aber den Nachmittagstee fand sie furchtbar langweilig, besonders jetzt, da Papa nicht mehr da war, um Tangram mit ihr zu spielen.
    »Vielleicht können wir sie ja überreden, uns einen Klecks von ihrer kostbaren Erdbeermarmelade zukommen zu lassen.« Wieder lächelte Lydia, doch ihr Gesichtsausdruck blieb angespannt. Das mochte zum Teil an dem verschwundenen Notizbuch liegen, aber eigentlich war diese Anspannung
immer
da.
    Jane erinnerte sich an eine Geologiestunde, in der sie sich Gesteinsadern angeschaut hatten – Linien aus Quartz oder Salz, die sich mitten durch einen Felsen zogen. Sie glaubte, durch ihre Schwester liefe auch so eine Ader, nur, dass sie nicht glänzte oder schimmerte. Die Ader, die sich durch Lydia zog, bestand aus etwas Hartem, Sprödem, einem Material, das nur in jenen seltenen Momenten an die Oberfläche trat, wenn sie sich unbeobachtet glaubte.
    Den Grund dafür hatte Jane noch immer nicht gefunden. Sie hegte jedoch die Vermutung, dass es mit ihrer Mutter zusammenhing.
    »Hast du den Farn gegossen?«, fragte Lydia.
    Jane ging, den hastig gefaltenen Brief immer noch unter dem Arm, zum Fenster hinüber, wo auf einem Tischchen eine Glasglocke stand. Darunter wuchs in einer Schicht aus Kieseln und Erde ein zerzauster Farn, dessen grüne Wedel bereits begannen, an den Rändern braun zu werden. Sie hob die Glasabdeckung hoch und goss etwas Wasser in den Untersetzer.
    »Er sieht ein bisschen traurig aus, findest du nicht auch?«, fragte sie und zupfte einige tote Teile ab.
    Lydia kam zu ihr herüber, um sich die Pflanze näher anzusehen. »Vielleicht sollten wir ihn woanders hinstellen? Oder er braucht mehr Luft oder andere Erde? Ich muss schon sagen, Jane, ich habe noch nie so richtig verstanden, wie ein Farn unter solch einer gläsernen Haube gedeihen soll.«
    Jane machte das Fenster einen Spaltbreit auf, um frische Luft hereinzulassen, und die beiden betrachteten eine Weile lang schweigend die Pflanze.
    »Ich denke, wir müssen weitere Nachforschungen anstellen«, meinte Lydia schließlich. »Ich gehe morgen ohnehin in die Bibliothek, also werde ich mal nachsehen, ob sie irgendwelche Bücher über die Pflege und Aufzucht von Farnen haben. Wollen wir jetzt unsere Übungen zur schriftlichen Division fortsetzen?«
    Sie breitete ein Übungsheft und mehrere Blatt Papier auf dem Tisch aus, der den größten Teil des winzigen Raumes einnahm, welcher zuerst als Janes Kinderzimmer gedient hatte und jetzt als Schulzimmer genutzt wurde.
    Während Lydia abgelenkt war, griff Jane sich ein Buch und steckte den Brief zwischen die Seiten. Dann stellte sie es ins Regal, zwischen zwei dicke Enzyklopädien.
    Plötzlich überkam sie der drängende Wunsch, Lydia von all den Briefen zu erzählen, die dort versteckt waren. Doch angesichts der Zielstrebigkeit, mit der sich ihre Schwester im Zimmer zu schaffen machte, verließ sie der Mut.
    Abgesehen davon war sie fest entschlossen, die Anweisungen des Absenders in Bezug auf strenge Geheimhaltung zu befolgen, denn diese anonymen Briefe und die beigefügten Rätsel waren nach dem Tod ihres Vaters eine willkommene Ablenkung, und sie wollte nicht, dass das aufhörte.
    Sie ging hinüber zu Lydia. »Ist alles in Ordnung?«
    »Aber natürlich. Warum sollte es das nicht sein?«
    »Du wirkst ein wenig verstimmt.«
    »Ich bin nicht verstimmt. Jetzt komm und setz dich. Wir wollen noch einmal Dividenden und Divisoren durchnehmen.«
    Jane setzte sich an den Tisch und nahm einen Stift zur Hand. »Hat es was mit Großmama zu tun?«
    »Es ist alles in Ordnung, Jane. Wirklich.«
    Doch Jane bemerkte den irritierten Ausdruck in den Augen ihrer Schwester sehr wohl. Sie wusste nicht, was Lydia von ihrer Großmutter erwartete oder nicht erwartete. Sie selber wünschte sich jedenfalls, sie alle wären etwas weniger ernst und würden das Leben wieder mehr genießen.
    Ihre Tage glichen einer dem anderen: Frühstück, Unterricht, Mittagessen, ein
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