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Das Rätsel der dritten Meile

Das Rätsel der dritten Meile

Titel: Das Rätsel der dritten Meile
Autoren: Colin Dexter
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Flammen den Fahrer erreicht haben und er, auf seinem Sitz hilflos gefangen, zu einem qualvollen Tod verdammt sein würde.
    «So helfen Sie mir doch!» schrie er dem Offizier hinter sich zu. «Ich hab sie schon fast... es...» Ein letztes Mal versuchte er, die Luke zu öffnen, während ihm der Schweiß in Strömen über das Gesicht lief.
    «Verdammt noch mal, sehen Sie denn nicht, daß...?» Er brach ab und fiel kraftlos zurück auf den Sand, gleichermaßen überwältigt von Erschöpfung wie der Erkenntnis seines Scheiterns.
    «Lassen Sie den Unsinn, und kommen Sie! Sofort! Das ist ein Befehl!»
    Albert kroch zurück über den Sand, tränenblind vor Haß und wilder Verzweiflung. Er hob sein verschmiertes Gesicht, um dem Leutnant in die Augen zu sehen, und erblickte in ihnen einen kalten Glanz... Einen Glanz, hinter dem sich gefühllose Feigheit verbarg. Noch immer gellte ihm das Schreien des Panzerfahrers in den Ohren. Erst sehr viel später meinte er plötzlich im nachhinein, die Stimme des Mannes zu erkennen — sein Gesicht hatte er nicht gesehen.
    Kurze Zeit darauf wurde er (wie man ihm später erzählte) von einem vorbeikommenden Armeelastwagen aufgenommen. Seine eigene Erinnerung setzte erst wieder ein mit dem Erwachen im Lazarett. Das köstliche Gefühl, in einem bequemen Bett zu liegen, und der Anblick der überaus weißen Bettücher und roten Decken würden ihm wohl bis zu seinem Lebensende im Gedächtnis bleiben. Man wartete zwei Wochen, bis man ihn für gesund genug hielt, um ihm mitzuteilen, daß sein Bruder John, Panzerfahrer bei der 8. Brigade, in der zweiten Phase der Offensive gefallen war.
    Damals war er sich fast sicher gewesen, aber eben nur fast. Kein Zweifel bestand jedoch, was die Identität jenes Leutnants anging, der damals am Morgen des Kampfes um den Teil el Aqqaqir gewogen worden war — gewogen und zu leicht befunden. Sein Name hatte sich ihm unauslöschlich eingeprägt: Browne-Smith.
     mit einem hinten — ein ungewöhnlicher Name, dem er später nicht mehr begegnet war. Bis vor kurzer Zeit.
    Bis dann völlig unerwartet vor kurzer Zeit...

Zweites Kapitel
    Mittwoch, 9. Juli

Wir wohnen einer Notenkonferenz der Universität Oxford bei, auf der die sieben zu diesem Zweck ernannten Prüfer über die Ergebnisse der Abschlußklausuren für den zu befinden haben.

    «Was die anderen Arbeiten betrifft, hätte er sonst eine Eins machen können», sagte der Vorsitzende und blickte erneut auf die sechs vor ihm liegenden Beurteilungen. Keine schlechter als Beta plus und sogar ein paar Alphas dabei. Nur die Note für Griechische Geschichte fiel ab. Ein Beta minus minus — Delta. Nicht gerade Ausweis überragender intellektueller Fähigkeiten.
    «Nun, meine Herren, was denken Sie? Ich bin dafür, ihm eine Chance zu geben und ihn in die mündliche Prüfung zu nehmen.»
    Fünf der Anwesenden, die um den großen, mit verschiedenen Papieren beladenen Tisch saßen, bekundeten durch eine sparsame Geste, indem sie leicht die Hand hoben, ihr Einverständnis.
    «Anderer Ansicht?» wandte sich der Vorsitzende dem sechsten zu.
    «Ganz recht. Ich bin der Meinung, er hat diese Chance nicht verdient — nicht auf Grund dieser Leistungen.» Er wies mit einer abschätzigen Handbewegung auf die Arbeit vor ihm. «Seine Klausur zeigt meines Erachtens eindeutig, daß er von der Geschichte Athens außerhalb des fünften Jahrhunderts so gut wie keine Ahnung hat. Ich bedaure, das sagen zu müssen, aber wenn er es auf eine Eins abgesehen hat, dann hätte er mehr tun müssen.» Er wiederholte seine abschätzige Geste, auf seinem Gesicht einen Ausdruck gelinden Abscheus, der seinen ohnehin stets mißmutigen Zügen nicht besonders zuträglich war. Dennoch stand außer Zweifel — und alle Anwesenden hätten dies sofort zugegeben — , daß niemand mit größerer Sicherheit so subtile Entscheidungen wie die zwischen Beta plus und Beta plus plus zu treffen in der Lage war als er. Es gab allerdings auch niemanden, der eine einmal getroffene Entscheidung so unnachgiebig vertrat.
    «Wir alle wissen doch aber», begann einer der anderen Prüfer, «daß unsere Fragen bisweilen etwas nach dem Zufallsprinzip gestellt sind — gerade auch, was Griechische Geschichte angeht.»
    «Ich habe die Fragen selbst konzipiert», unterbrach ihn sein Kollege hitzig, «und kann Ihnen versichern, daß sie einen absolut angemessenen Querschnitt repräsentieren.»
    Der Vorsitzende wirkte erschöpft. «Meine Herren, wir
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