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Das Pubertier

Das Pubertier

Titel: Das Pubertier
Autoren: Jan Weiler
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Pistole und schieße sich damit in den Fuß. Der Versuchsleiter notiert in diesem Zusammenhang, dass fünfzehnjährige Mädchen praktisch alle Burschen ablehnen, die ihnen von Eltern angedient werden. Es scheint ein Naturgesetz zu sein, dass für sie nur Pubertiermännchen in Frage kommen, die der Versuchsleiter als Null, Trottel, Erbschleicher oder Streuselkuchengesicht vermerkt hat. Der Versuchsleiter greift daher zu einer List: Er bezeichnet einen Burschen, den er sehr gerne mag, dem Pubertier gegenüber als Bratwurst und Kellerkind und droht, ihn in Stücke zu reißen, wenn er ihn mit seiner Tochter an der Bushaltestelle erwische. Insgeheim hofft der Versuchsleiter, sein Pubertier auf diese Weise mit dem sehr angenehmen Max zu verkuppeln.
    Doch dieser Versuch schlägt auf empörende Weise fehl. Bevor das Pubertier die Versuchsanordnung hinter sich schließt, sagt es noch müde: «Netter Versuch, Papa.»
    Der Versuchsleiter überlegt bei einer Flasche Bier, das Labor zu schließen und sich fortan um seine eigenen Angelegenheiten zu kümmern. Wobei: Die Kindheit seiner Tochter ist doch seine Angelegenheit, oder etwa nicht?

Yolo mit Carla
    «Warum ich? Warum?» Ich stand in der Küche und drehte mich im Kreis wie der tasmanische Teufel. Aber Sara war nicht zu erweichen. Sie fand einfach, dass ich auch mal dran sei. Ich behauptete, dass ich keine Zeit hätte, der ganze Terminkalender sei randvoll. «Du besitzt keinen Terminkalender», sagte Sara. «Ja, keinen aus Papier. Ich habe einen virtuellen Terminkalender. Im Kopf», quengelte ich. «Der ist leer», behauptete Sara. «Und du wirst sehen, es tut dir und Carla bestimmt gut, wenn ihr mal etwas miteinander unternehmt.» Kann schon sein. Das Problem daran ist nur: Carla kommuniziert in einer fremden Sprache. Es ist bei uns wie mit Klingonen und Romulanern. Aber Sara hatte recht. Ich war wirklich dran. Vorgestern fuhr ich also mit unserem Pubertier in die Stadt. Hosen kaufen.
    Carla trägt sehr enge Modelle, in die man eingenäht werden muss. Ihre Hosenbeine sehen aus wie Elefantenrüsselfutterale. Also schlug ich ihr vor, in den Münchner Zoo zu gehen und dem Elefantenpfleger ein Elefantenrüsselfutteral abzukaufen. Aber Carla wollte nicht in den Zoo. Sie wollte zu Abercrombie & Fitch. Und zu Hollister, H&M, Zara und dann mal gucken. Sie saß neben mir im Auto und hielt ihre beste Freundin Franzi per WhatsApp auf dem Laufenden. Ich sah auf ihr Handy und las: «… mit meinem Vater. SWAG !»
    Als Erstes gingen wir zu Zara. Carla navigierte durch das Geschäft wie ein Fuchs durch den Hühnerstall. Aber das Angebot sagte ihr nicht zu. Sie entschied sich gnädig für zwei T-Shirts und informierte Franzi darüber, dass Zara soeben ein «epic fail» gewesen sei. Bei H&M gab es praktisch denselben Kram, bloß auf Schwedisch. Carla schrieb: «Jetzt ein Smoothie mit Papa. YOLO .» Während sie einen Becher mit sauteurer Beerenpampe verputzte, googelte ich «swag», «epic fail» und «Yolo». Auf diese Weise erfuhr ich, dass sie erstens den Ausflug mit mir lässig fand und zweitens den Besuch bei Zara für einen schweren Fehler hielt. Und dass Yolo für «Du lebst nur einmal» steht.
    Im nächsten Geschäft stand auf den Jeansetiketten: «Enthält nichttextile Teile tierischen Ursprungs». Was damit wohl gemeint sein mag? Womöglich ist in den Hosen ein Schweineschnitzel eingenäht. Ich sah nach, entdeckte aber keines. Und außerdem fand Carla die Klamotten voll wack. Anschließend marschierten wir zu Hollister. Das ist eine amerikanische Marke, und die Klamotten sehen aus, als seien sie von Ricardo Tubbs und Sonny Crockett für eine Achtziger-Jahre-Grillparty in Pinneberg entworfen worden. Carla war auch nicht besonders begeistert, zumal ihr die Hosen deutlich zu weit geschnitten waren. Sie schrieb an Franzi: «Hollister = ROFL .»
    Dann rüber zu Abercrombie & Fitch. Dabei handelt es sich um eine gut parfümierte Geisterbahn, in der man die Klamotten kaum sehen kann, weil es dort erstens duster ist wie in einem Elefantenpo und man zweitens ständig Touristen von der Schwäbischen Alb vor der Nase hat. Außerdem bekam ich nach gut vierzig Sekunden Kopfschmerzen von dem Gestank, mit dem sie ihre Kunden dort einnebeln, und wünschte mich erneut ins Elefantenhaus vom Münchner Zoo, wo es ähnlich riecht, wenn auch nicht ganz so süßlich. Die Wand an der Treppe war bedeckt von einem riesigen Gemälde. Es zeigte lauter Mario-Gomez-Verschnitte mit kantigen Köpfen und
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