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Das Prometheus Mosaik - Thriller

Das Prometheus Mosaik - Thriller

Titel: Das Prometheus Mosaik - Thriller
Autoren: Timothy Stahl
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hatte. Erschrocken schaute er auf und sah in ihr Gesicht, an dem die Zeit spurlos vorübergezogen war seit jenem Tag, als das Schicksal sie an der Universität von Edinburgh zusammengeführt hatte, erst als Kollegen, dann als Paar. Nur ihre Augen waren nicht mehr die Augen von damals, nicht mehr die Augen einer Wissenschaftlerin, sondern die einer Mutter. Einer Mutter, die jetzt fast umkam vor Bangen um das Leben ihres Sohnes.
    »Wir dürfen ihn nicht sterben lassen«, sagte sie leise und erstaunlich bestimmt. Dann suchte und fand ihr Blick wieder das rote, mit Brandblasen übersäte Gesicht des Jungen hinter der Klarsichtplane und streichelte es, wie sie es mit den Händen nicht durfte.
    Der Mann betrachtete die Szene schweigend. Auch er durfte mit seinen Händen nicht tun, was er tun wollte. Dabei wäre es als Vater doch seine Pflicht gewesen, alles in seiner Macht Stehende in die Wege zu leiten. Von neuem verlor er sich in einem Labyrinth aus düsteren Gedanken, in dem ihm der Weg zum einzigen Licht verwehrt blieb.
    Er hörte nicht, wie die Tür hinter ihnen aufging. Er spürte nur den kühlen Schwall, der vom Gang hereinwehte und die Folie des Sauerstoffzelts kaum merklich bewegte. Entfernte Stimmen draußen auf dem Flur wurden kurz lauter und fast verständlich, um dann wieder zu verstummen, als die Tür sich schloss. Wahrscheinlich eine Krankenschwester, die nach dem Rechten sehen wollte, vielleicht auch Dr. McMullan, der Chefarzt, der mit seinem Latein am Ende war, dachte der Mann.
    Auch seine Frau rührte sich nicht. Sie hatte offenbar nicht bemerkt, dass jemand hereingekommen war. Womöglich blickte sie aber auch nur deshalb nicht auf, weil sie Angst hatte vor der Wahrheit über den Zustand ihres Sohnes, die jetzt ausgesprochen werden könnte. Es verging fast eine Minute, in der nichts geschah. Weder sie noch ihr Mann sahen sich um. Auch die Person, die ins Zimmer gekommen war, trat ihrerseits nicht näher, schien nicht einmal zu atmen, so still war es im Raum, sah man ab von dem leisen Summen der Apparate, an die der Junge angeschlossen war.
    Schließlich drehte der Mann sich doch um. Nur um nachzusehen, ob er sich nicht getäuscht hatte.
    Das hatte er nicht. Jemand war ins Zimmer gekommen. Allerdings handelte es sich weder um eine Krankenschwester noch um Dr. McMullan oder einen anderen Arzt. Es war ein Fremder, der da mit dem Rücken zur geschlossenen Tür stand und den er im allerersten Moment für einen Pfarrer im Talar hielt – ein Anblick, der ihm in dieser Situation einen tief ins Herz reichenden Stich versetzte. Dann erkannte er seinen Irrtum und die Kleidung des Mannes als das, was sie wirklich war: ein langer, nass glänzender Mantel, über dessen schwarzem Kragen der weiße eines Hemdes hervorstand.
    Etwas kam ihm vertraut vor an dem Fremden, so als hätte er ihn irgendwo schon einmal gesehen. Nicht unbedingt persönlich, vielleicht nur auf einem Foto. Ganz sicher war er sich dessen jedoch nicht. Und ein Name wollte ihm schon gar nicht einfallen. Dennoch löste der Anblick des Fremden etwas in ihm aus, das er in dieser dunklen Stunde nicht mehr erwartet hatte: Hoffnung.
    Er hatte nicht die leiseste Ahnung, woher ein solches Gefühl rühren sollte. Aber er spürte es, einen Augenblick lang jedenfalls – nämlich als sein Blick dem des Fremden zum ersten Mal begegnete, wie angezogen von dem auf fast unwirkliche Art leuchtenden, kristallartigen Grün seiner Augen.
    Der Bann verging, hatte wohl kaum eine Sekunde gewährt, und der Fremde trat näher. In der Linken hielt er einen Hut, der feucht war vom Schneeregen draußen, die Rechte hatte er tief in der Manteltasche verborgen. Mit wachem Blick musterte er den am Bett sitzenden Mann.
    »Bitte verzeihen Sie, Herr Doktor«, sagte der Fremde. Er sprach Deutsch, das dem Klang nach auch seine Muttersprache war.
    Der Mann auf dem Stuhl stutzte, nickte aber nur, anstatt etwas zu sagen, abgelenkt von seiner Frau, die sich nun auch umdrehte. Und ihre Miene spiegelte genau dasselbe Gefühl wider, das auch ihn überkommen hatte, als der bannende Blick dieser grünen Augen ihn zum ersten Mal getroffen hatte.
    »Ich weiß, was Sie empfinden und was Ihnen im Kopf herumgeht, Herr Doktor«, sagte der Fremde.
    »Woher wollen Sie …«, begann der Mann, ebenfalls auf Deutsch, auch seine Muttersprache.
    »Doch, doch, glauben Sie mir nur«, unterbrach ihn der andere. »Ich weiß auch, was Sie tun wollen und könnten. Ich habe Ihren Werdegang aufmerksam und mit
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