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Das Programm

Titel: Das Programm
Autoren: Michael Ridpath
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zuckte die Achseln. »Calhoun hat schon recht. Bloomfield Weiss ist das Beste, was die Wallstreet zu bieten hat. Ich will bei den Besten sein, aber auf meine Weise.«
    Alle nickten feierlich, bis auf Alex, der lachte. »Hör doch auf mit dem Scheiß. ›Auf deine Weise‹, was heißt das denn? Um drei Uhr besoffen nach Hause kommen, und am nächsten Tag nicht vor Mittag aufstehen.«
    »Die Einstellung lob ich mir!«, meinte Lenka begeistert.
    Eric grinste. »Passt auf, was ihr sagt. Ihr sprecht hier über einen Investmentbanker von Bloomfield Weiss.«
    Duncan nahm den letzten Schluck aus seinem Glas. »Okay, ich denke, wir sollten jetzt gehen, wenn wir noch ein bisschen von der Arbeit schaffen wollen, die sie uns aufgebrummt haben.«
    So fuhren sie auf den verschiedenfarbigen U-Bahn-Linien in ihre jeweiligen Wohnviertel davon – Chris, Ian und Duncan in das Apartment, das sie gemeinsam in der Upper East Side bewohnten, wobei Duncan sich diesmal hütete, einen ganzen U-Bahn-Wagen voller Pendler gegen sich aufzubringen. Dafür beschäftigte er sich fast die ganze Fahrt mit Lenkas Reizen. Offenbar hatte sie ihn tief beeindruckt. Chris hatte großes Verständnis für Duncans Standpunkt, war aber fest entschlossen, Tamara, seiner Freundin in London, treu zu bleiben. Warme Gedanken über Lenka waren da wenig hilfreich.
     
    Die kalte Nachtluft brannte auf seinen Wangen und half seinem Gehirn, ein paar der Finanzkonzepte abzuschütteln, die er sich seit drei Stunden einzuhämmern versuchte. Es war Ende April, eigentlich sollte der Frühling vor der Tür stehen, aber Chris hatte eher das Gefühl, dass Frost in der Luft lag. Er kroch tiefer in seine alte Lederjacke und bog in eine Seitenstraße, die von der Fifth Avenue zum Central Park führte. Zu beiden Seiten der Straße wölbten sich Markisen über den Eingängen, die in den warmen, goldenen Glanz von Marmorlobbys führten und von uniformierten Portiers mit leerem Blick bewacht wurden.
    Die Arbeit häufte sich, und er tat sich schwer. Er hatte versucht, seine Schulmathematik zu entstauben, aber das reichte nicht. Diskontierter Einnahmeüberschuss, modifizierte Dauer, interner Zinsfuß – was bedeutete das alles? Und wie sollte er es bis Mittwoch herausfinden?
     
    Er hatte sich bemüht, den Mund zu halten, als Duncan seiner Besorgnis über das Trainingsprogramm freien Lauf gelassen hatte. Auch er hatte seine Befürchtungen, fand es aber besser, sie für sich zu behalten. Ian hatte es in der Kunst des Versteckspiels zur Perfektion gebracht, und nach allem, was Chris bisher von der Arbeitswelt mitbekommen hatte, war diese Kunst einer der Schlüssel zum Erfolg. Wenn du es nicht gewusst hast, tu so, als hättest du es gewusst, und hoffe darauf, dass es niemand merkt.
    Doch im Ausbildungsprogramm würden sie es merken. Professor Waldern würde es am nächsten Morgen merken, wenn er Chris aufforderte, die modifizierte Dauer zu erklären. Oder Calhoun würde es merken – bei den Examina, die er ihnen versprochen hatte. Duncan hatte schon Recht. Es wäre eine Riesensauerei, wenn er nach all der Mühe und Plage rausgeschmissen würde.
    Chris hatte hart gearbeitet, um nach New York zu kommen. Verdammt hart. Begonnen hatte es, als er elf Jahre alt war. Mit eiserner Disziplin und viel Hilfe und Ermutigung durch seine Mutter hatte er es auf das örtliche Gymnasium geschafft. Er bestand die mittlere Reife und das Abitur und war selbst überrascht von den Noten, die er erreichte. Dann hatte er sich in Oxford um einen Studienplatz für Geschichte beworben. Eigentlich wollte er es gar nicht, weil er es für aussichtslos hielt, aber Tony Harris, sein Geschichtslehrer, hatte ihn dazu überredet. Zu seiner großen Überraschung wurde dem polnischen Jungen mit dem Yorkshire-Akzent ein Platz in Lady Margaret Hall angeboten. Seine Mutter war außer sich vor Freude. Sie sagte, sie habe immer gewusst, dass er es schaffen würde, er habe eben den Verstand seines Vaters geerbt. Zwar wusste er, dass das nicht ganz stimmte, war aber davon überzeugt, dass sein Vater, wo immer er auch sein mochte, stolz auf ihn war. Und das tat ihm gut.
    Oxford, und noch mehr Arbeit. Danach die schwierige Suche nach einem Job. Die Rezession begann zu greifen: Die Firmen schränkten ihre Ausbildungsprogramme für Universitätsabsolventen ein. Einige Unternehmen verzichteten sogar ganz auf Trainees.
    Entsprechend war die Konkurrenz. Chris wusste wenig über die Unternehmen, die an der Universität ihren Nachwuchs
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