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Das Programm

Titel: Das Programm
Autoren: Michael Ridpath
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rekrutierten, bewarb sich aber bei fünfzehn von ihnen, unter anderem auch bei Bloomfield Weiss. Die meisten lehnten ihn ab, viele sogar, ohne ihn zu einem Einstellungsgespräch einzuladen. In seinen düstereren Augenblicken machte er Szczypiorski dafür verantwortlich, obwohl er sehr wohl wusste, dass ihm die Vielzahl von nicht zum Studium gehörigen Tätigkeiten fehlte, dass er keinen sorgfältig geplanten Lebenslauf vorzuweisen hatte wie zum Beispiel Ian Darwent. Doch bei Bloomfield Weiss hängte er sich richtig rein. Schließlich wurde er in das elegante Büro der Firma in Broadgate, in der City, gebeten, wo er von fünf verschiedenen Bankern in die Mangel genommen wurde. Er gefiel ihnen, das merkte er. Ihnen gefiel die Tatsache, dass er aus Halifax kam, ihnen gefiel sein polnischer Name, und ihnen gefiel die Entschlossenheit, die er ausstrahlte. Als er eines Morgens den Briefumschlag mit dem eingravierten Absender Bloomfield Weiss vorfand, wusste er sofort, was er bedeutete. Das Unternehmen wollte ihn. Und er wollte es. Zwar war es das einzige Stellungsangebot, das er bekam, aber es war dasjenige, das er am meisten begehrte.
    Jetzt war er einer von sechzig Überfliegern. Von sechzig jungen Frauen und Männern, die, egal, was man ihnen aufgetragen hatte, immer zu den Besten gehört hatten. Sechzig Gewinner. Gewinner wie Ian Darwent, Eric Astle, Alex Lubron oder der widerliche Rudy Moss. Und aus diesen sechzig Gewinnern würde das Ausbildungsprogramm fünfzehn Verlierer herausfiltern. Gut möglich, dass einer von ihnen Duncan war. Und ein anderer Chris. Er erreichte die niedrige Mauer zwischen Fifth Avenue und Central Park und blickte hinüber in das geheimnisvolle Dunkel des Parks, das eingefasst war von den hellen Lichtern der Manhattan Skyline. Es war Zeit, nach Hause zu gehen und noch etwas Schlaf zu finden. Morgen würde es wieder eine Menge zu lernen geben. Mit einem Seufzer machte er sich klar, dass es während der nächsten fünf Monate jeden Tag eine Menge zu lernen geben würde, Okay, dann würde er eben alle Selbstzweifel weit von sich schieben, weder nach rechts noch nach links schauen und verdammt noch mal dafür sorgen, dass er nicht zu den fünfzehn Verlierern gehörte.

2
    Die Arbeit war wirklich hart. Man verwendete die »Fallmethode«, die an der Harvard Law School entwickelt und von Business Schools im ganzen Land übernommen worden war. Dabei lasen die Kursteilnehmer einen »Fall«, das heißt einen eingehenden Bericht über ein realistisches Problem, vor dem ein Unternehmen stand und das man ausgewählt hatte, um ein bestimmtes Finanzkonzept zu illustrieren. Das wurde dann im Kurs diskutiert. Der Professor suchte sich irgendeinen armen Teufel aus, der die Diskussion anschieben musste, und bombardierte ihn oder sie anschließend mit einer ganzen Batterie von Fragen. Wenn es gut ging, war es eine sehr interessante Methode, um die zugrunde liegenden Probleme zu untersuchen. Wenn es schlecht lief, wurde es zu einer öffentlichen Demütigung des oder der Beteiligten.
    Die Schwierigkeit lag nicht darin, die Fälle am Vortag durchzuarbeiten. Um sie zu verstehen, mussten sich die Trainees viele Seiten aus komplizierten Lehrbüchern aneignen. Man erwartete von ihnen, dass sie jeden Abend mindestens ein kompliziertes Konzept begriffen.
    Professor Waldern leitete in den ersten Monaten des Programms zwei Kurse: Kapitalmärkte und Anleihenrechnung. Das waren zugleich die beiden wichtigsten Fächer. Das gründliche Verständnis der Anleihenrechnung war von entscheidender Bedeutung für jeden, der später mit solchen Papieren handeln oder sie verkaufen wollte. Waldern war ein ausgezeichneter Lehrer: Er verstand es, höchst nüchterne Finanzprinzipien interessant und anschaulich darzustellen. Er entlockte den Kursteilnehmern Ansätze zur Lösung eines Falles, bis sich unter seiner Anleitung die Konzepte wie von selbst ergaben. Chris fand Walderns Lehrveranstaltungen äußerst anregend und anstrengend.
    Doch Waldern war auch ein Menschenschinder. Von Anfang an lebte Duncan in der panischen Furcht, er könnte aufgerufen werden, um die Diskussion zu leiten, und tatsächlich passierte es am dritten Tag. Chris wusste, dass Duncan sich am Abend stundenlang mit dem anstehenden Fall beschäftigt hatte – der Entscheidung einer Fluggesellschaft, eine festverzinsliche oder zinsvariable Anleihe zu emittieren. Duncan hatte das Problem einfach nicht verstanden. Er kam nicht auf den Punkt, wiederholte die
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