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Das Prinzip Selbstverantwortung

Titel: Das Prinzip Selbstverantwortung
Autoren: Reinhard K. Sprenger
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Mitarbeiter spüren die Glaubwürdigkeitslücke, werden zynisch, bleiben passiv, kündigen innerlich, leiten ihre Energien am Unternehmen |233| vorbei in die Freizeitsphäre. Es ist ein Irrtum zu glauben, die Interessen hierarchieorientierter Selbstoptimierer seien richtungsgleich mit den Interessen des Unternehmens. Sie optimieren
sich
, nicht das Unternehmen; sie übernehmen Verantwortung für
ihren
Bereich, nicht für das Ganze; sie investieren in
ihre
Karriere, nicht in die Leistungsmöglichkeiten ihrer Mitarbeiter. Um es ganz deutlich herauszustellen: De facto entsteht ein neuer Widerspruch – zwischen dem Einzel-Interesse des Hierarchen und den Gesamt-Interessen des Unternehmens.
    Oral existierende Unternehmenskulturen
    Nun unterstelle ich niemandem böse Absichten. Aber mindestens drei Ursachen kann ich nennen, die auch die Chance eröffnen, der Krise der Botschaften zu entrinnen.
In ihrem unternehmenskulturellen Machbarkeitswahn haben viele Unternehmen geglaubt, sie könnten die real existierende Verschleißkultur mit allerhand Mensch-im-Mittelpunkt-Gedöns auf Hochglanzpapier weichspülen, mindestens aber Trost bringend umwölken. Die Top-down-Missions, welche Entschiedenheit und die Eindeutigkeit »klarer Verhältnisse« nur vorgaukeln, rufen zusammenhanglos nebeneinandergesetzt Doppelbindung hervor. Es entsteht der Eindruck, als seien die immanenten Werte-Botschaften gleichrangig. Gerade die Proklamation irgendwelcher Moralen in Unternehmensleitbildern, Führungsgrundsätzen o.ä. lässt den Eindruck entstehen, als handele es sich um ewige und überall zu zeigende Eigenschaften. Die widerstreitenden Polaritäten – von denen jede ihre Berechtigung hat – werden in Richtung scheinbarer Eindeutigkeit mit oratorischem Brustton verlautbart. Sie tun so, als gäbe es »die andere Seite« nicht. Ja, der andere Pol wird oft sogar tabuisiert. Sie verheimlichen, dass es eine logische Werthierarchie gibt, die sich an der Profitabilität des Unternehmens und individuellen Machtinteressen orientiert.
Sehr häufig wird die oral existierende Unternehmenskultur durch konkrete Entscheidungen dementiert. Das Handeln karikiert |234| das Sagen. Denn jedes Unternehmen hat eine Kultur. Sie ist das Ergebnis eines langen Wachstumsprozesses und äußert sich in einer bestimmten Form des Umgangs. Man kann keine Kultur »einführen«, wie man eine neue Spielregel im Fußball einführt. Meiner Erfahrung nach sind daher im Unternehmen die verbalen Botschaften völlig unwichtig. Allein wichtig – und von den Mitarbeitern seismographisch aufgespürt – sind die
unausgesprochenen
Botschaften, wie sie in konkreten Verhaltensmustern, Organisationsstrukturen und Traditionen deutlich werden. »An ihren Taten sollt ihr sie erkennen« – wohlweislich halten sich die meisten Menschen an dieses Bibelzitat. Wie
gehandelt
wird, das sind die wahren Botschaften. Diese Botschaften sind eindeutig. Diese Botschaften kennen keine Krise. Deshalb sind die meisten CI-Broschüren so lächerlich. Und es ist nachgerade absurd zu sehen, wie viele Hierarchen auf ihre Mitarbeiter »visions« und »missions« hinunterstürzen, die Werte beinhalten, denen diese Chefs ihre Karriere gerade
nicht
verdanken.
Die dritte Ursache lotet noch etwas tiefer: Jede Berufung auf Werte hat die unangenehme Konsequenz, andere Werte zu diskriminieren. Welche der Botschaften aber ist vorzuziehen? Offenbarte Wahrheit steht immer in Konflikt zueinander, und jede tritt mit dem moralisch hochgestemmten Anspruch auf Erstrangigkeit auf. Aber sie kann nicht zu konkretem moralischen Handeln ausbuchstabiert werden, da sie sonst mit den harten Fakten konfligiert.
    Der fälligen Wahlentscheidung kann ausgewichen werden, wenn man sich zu Werten bekennt, die nichts besagen. Sie geraten daher schlicht in Vergessenheit, weil das reale Leben unterhalb der hochtrabenden Visionen weiterläuft. Oder aber man wählt schwache Formulierungen, die stark tönen. So hat man denn vieles im Angebot, was die Entscheidung zwangsläufig offen lässt. Oder aber – drittens – man weigert sich, zu wählen. Wählen bedeutet sehr oft Entscheiden. Das wiederum bedeutet das Ausscheiden einer anderen Möglichkeit, Verzicht. Die Folgen sind Widerstand, innere Rebellion und Passivität, wenn eine Wahl notwendig wäre.
    |235| Aber auch das ist noch Vordergrund. Denn eigentlich hat man ja gewählt: die Unentschiedenheit. Das hat abermals Vorteile. Man fürchtet die Verantwortung – man weigert sich, Verantwortung
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