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Das Prinzip Selbstverantwortung

Titel: Das Prinzip Selbstverantwortung
Autoren: Reinhard K. Sprenger
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brauche ich sie nicht mehr zu verlautbaren.
    Bleibt uns dann nur noch das Lachen als letzter Trost auf den Trümmerfeldern der Eindeutigkeit? Lachen als korrektive Reaktion auf die unternehmenskulturelle Realsatire? Wenn auch manches da nicht mehr komisch ist, sondern nur noch lächerlich, so bleibt doch etwas zu tun:
Jede Zwickmühle ist aufzulösen. Man muss sich von einer Zielorientierung verabschieden, wenn Gleichzeitigkeit vorher das Gebot war. Diese Bezugssysteme und Maßstäbe müssen orientierungsfähig und einklagbar sein. Dazu ist es hilfreich, sie gemeinsam zu entwickeln. Wenn diese Bezugssysteme dialogisch aufgebaut werden, übernehmen Menschen für sie auch Verantwortung.
Wir brauchen Klarheit in der Werthierarchie. Die Bezugssysteme müssen in eine logisch-hierarchische Beziehung gesetzt werden. Wir dürfen nicht Werte wahllos aneinander reihen und so tun, als seien sie gleich-wertig. Wenn man Botschaften nur dann folgen kann, wenn man ihnen gerade
nicht
folgt, bleiben nur Konfusion und der entscheidungshungrige Blick nach »oben«. Das ist das Ende der Selbstverantwortung im Unternehmen.
Das, was Führung oft so schwierig macht, ist zu fordern: die Bereitschaft, Prinzipienkonflikte anzuerkennen und die erforderliche »abwägende« oder »schöpferische« Verantwortung zu |238| übernehmen. Sich dem Dilemma widerstreitender Interessen zu stellen, den Konflikt offen und vollständig darzulegen, Konsequenzen aufzuzeigen und – zur Wahl zu stellen. Nicht so zu tun, als seien die Verhältnisse eindeutig, spannungsfrei. Dazu bedarf es Führungskräfte, die den Blick öffnen für Werte und Interessen, die
beide
berechtigt und daher immer wieder auszubalancieren sind.
Haben Sie bei Veränderungsprozessen auch den Mut, etwas in die Abstellkammer zu stellen, sich von etwas Überlebtem zu trennen. Wenn – wie so oft – immer noch etwas
dazu
kommt, erhöht das die Konfusion zwangsläufig.
Heinrich Heine schrieb im »Wintermärchen«: »Ich kenne die Weise, ich kenne den Text, ich kenn’ auch die Herren Verfasser; ich weiß, sie trinken heimlich Wein, und predigen öffentlich Wasser.« Was wir brauchen, sind Führungskräfte, die glaubwürdig sind. Die das leben, was sie proklamieren. Und die nicht öffentlich »als ob« inszenieren und hintenherum das Gegenteil tun.
    Glaubwürdigkeit
    »Jedes Folgen aber trägt in sich den Widerstand« – dieser in Martin Heideggers Freiburger Rektoratsrede zentrale Gedanke deutet an, wie prekär und sensibel die Aufgabe einer Führungskraft ist. Ohne wechselseitiges Vertrauen, ohne eine lebendige Beziehung zwischen Führungskraft und Mitarbeiter ist diese Aufgabe nicht lösbar. Wir erleben aber in den letzten Jahren eine nie dagewesene Erosion des Vertrauens der Mitarbeiter in das Management. Nach Aussage vieler älterer Manager hat es wohl in der Nachkriegszeit noch nie eine vergleichbare Glaubwürdigkeitslücke zwischen dem Topmanagement und der Mitarbeiterschaft gegeben wie gegenwärtig. (Dazu tragen sicher die z. T. immensen Einkommensunterschiede zwischen ganz oben und ganz unten bei, die so manchen Sparappell in ein schiefes Licht rücken.)
    Viele Unternehmen glauben, machtorientierte Selbstoptimierer unter den Führungskräften erfüllten besser die Unternehmensinteressen. Daher sind Schlüsselpositionen oft mit machtorientierten |239| Menschen besetzt. Die von ihnen gewählte Sozialtaktik schlägt sich immer auf die gute Seite, ist zufrieden, weil nicht betroffen. »Wenn ich denen einrede, ab heute ist ›kooperativ‹ der bessere Weg, dann funktioniert es besser.« Dabei werden oft Führung und Macht verwechselt: Sie sagen »Uns geht es um Führung« und meinen »Uns geht es um Macht«. Macht heißt für sie
Macht über
, nicht
Macht wozu
.
    Aus dem bisher Gesagten ergeben sich Persönlichkeitseigenschaften, die als Anforderungen an glaubwürdige Führung gelten können. In Teilen folge ich dabei Peter Rinderles Gedanken zur »Liberalen Integrität«.

    1. Das Sagen muss dem Handeln entsprechen.
    »Walk the talk«: Das ist die
äußere
Harmonie. Eine Commitment-Kultur ist nur möglich, wenn das Sagen dem Handeln entspricht. Um es noch einmal zu betonen: diese Glaubwürdigkeit als Form ist indifferent gegen jeden moralischen Inhalt. Es geht nicht um »richtige« oder »falsche« Werte, nicht um Wahrheit. Aber um Wahrhaftigkeit. Dazu ist es u. a. wichtig, die Gefühle des Augenblicks – die aus alten Prägungen resultieren – konsequent abzuwählen und einer
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