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Das Prinzip Selbstverantwortung

Titel: Das Prinzip Selbstverantwortung
Autoren: Reinhard K. Sprenger
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letzteren. Mitarbeiter sind Kunden der Führung. Mitarbeiter wählen ihre Führung mit ihrer Energie und ihrem Commitment. Wenn überhaupt, dann ermächtigen Mitarbeiter ihre Führungskräfte. Nicht umgekehrt. Unter welchen Bedingungen aber werden Menschen als Führungskräfte anerkannt? Nicht durch hierarchische Position. Angst, Status und Geld erzeugen kein Commitment. Sie erzeugen Anpassung und Anpassungsleistung.
    Den Unterschied macht die Glaubwürdigkeit. Glaubwürdigkeit ist die unabdingbare Voraussetzung für Führung in einer |242| Commitment-Kultur. Sie definiert die Qualität der Beziehung zwischen Partnern.
    Wenn das Prinzip Selbstverantwortung die zentrale Gestaltungsidee im Unternehmen ist, dann sind Sie als Führungskraft nur unter einer Bedingung glaubwürdig: wenn Sie glaubwürdig sein wollen, nicht weil das moralisch gut ist oder von anderen anerkannt wird. Sondern weil Sie es
gewählt
haben. Aus keinem anderen Grunde.

|243|
Epilog
    Am 3. Februar 1965 sendete der Sender Freies Berlin ein Streitgespräch zwischen den beiden Philosophen Theodor W. Adorno und Arnold Gehlen. Doch der von Hauke Brunkhorst einfühlsam nachgezeichnete Disput wollte sich zunächst nicht so recht entzünden. Erst am Problem der Selbstverantwortung, der Reflexionsfähigkeit des einzelnen wurde der Graben sichtbar, der beide zugleich trennte wie verband. Gehlen ging mit Aristoteles davon aus, dass immer nur
wenige
Menschen fähig sind, reflektiert und selbstverantwortlich zu handeln, die
vielen
aber unter der Last der Selbstverantwortung zusammenbrächen. Für ihn sind die Krisensymptome der Moderne in einem
Zu viel
an Reflexion begründet. Wir bräuchten daher starke und autoritäre Institutionen, die entlastend, d. h. auch partiell entmündigend wirken.
    Ganz anders Adorno. Für ihn sind es gerade die autoritären Institutionen, die die Entfaltung und mithin auch die Leistungsentwicklung des einzelnen hemmen. Er geht mit Descartes und Kant davon aus, dass die Fähigkeit zu selbstverantwortlichem Handeln »die bestverteilte Sache der Welt« ist und das
Potenzial
der Reflexionsfähigkeit allen Menschen gleichermaßen zukommt. Man müsse mithin Bedingungen schaffen, die dieses Potenzial zur Entfaltung kommen ließen. Auf Gehlens Frage, ob man Selbstverantwortung wirklich
allen
zumuten sollte, antwortet Adorno: »Darauf kann ich nur ganz einfach sagen: Ja! … ich glaube, dass |244| die Menschen solange, wie man sie entlastet (durch autoritäre Institutionen i. S. Gehlens – R. S.) und ihnen nicht die ganze Verantwortung und Selbstbestimmung zumutet, dass so lange auch ihr Glück in dieser Welt ein Schein ist.« Gehlen: »Da sind wir nun genau an dem Punkt, wo Sie ›Ja‹ und ich ›Nein‹ sage.«
    In Gehlens Fall kommen wir über eine Verpflichtung als bloßen Dienst in Gestalt der Anpassung und der Unterordnung nicht hinaus. In Adornos Fall besteht die reale Chance zur Selbstverpflichtung, zum Commitment, die eigenen Fähigkeiten als Potenzial der Freiheit zu verwirklichen.
    Wir können wählen.

|245|
Danksagung
    Alt ist es, was ich zu sagen hatte. Sehr alt sogar. Zwei-, dreitausend Jahre mitunter. Vieles haben Sie schon gewusst. Vielleicht hatten Sie etwas von diesem Wissen vergessen; bei einigen konnte ich vielleicht die Tür, die ohnehin schon angelehnt war, nur etwas weiter aufstoßen. Oftmals, wenn ich im Zweifel war, erinnerte ich einen Satz Ludwig Wittgensteins aus frühen Studientagen: »… was ich hier geschrieben habe, macht im Einzelnen überhaupt nicht den Anspruch auf Neuheit …, weil es mir gleichgültig ist, ob das, was ich gedacht habe, vor mir schon ein anderer gedacht hat.« Dieser Satz hat mir damals großen Eindruck gemacht, und ich möchte heute gerne anfügen: Für mich war es neu, als ich es gedacht habe, als ich es mit aller Freude neu verknüpfte.
    Dennoch würde ich sie gern erwähnen: die, die beigetragen haben. Denn niemand schreibt ein Buch allein. Die Namensliste derer, von denen ich viel lernte, wäre allerdings nahezu so lang wie das Buch selbst. Unübersehbar: Fichte, Heidegger, Kant, Nietzsche, auch Popper sind die Wasserzeichen dieses Entwurfs, die ich meiner eigenen Handschrift anverwandelt habe. Also: (Fast) alles nur geklaut. Der gütigen und intelligenten Heiterkeit eines Ralph Waldo Emerson – der personifizierten geistigen Unabhängigkeitserklärung Amerikas – verdanke ich mehr, als hier auszusprechen wäre. Seine Aktualität versetzt mich immer noch in Staunen.
    |246| Die
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