Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Prinzip Selbstverantwortung

Titel: Das Prinzip Selbstverantwortung
Autoren: Reinhard K. Sprenger
Vom Netzwerk:
Umsatzorientierung), dann gibt es lediglich ein situatives Entscheidungsproblem. Doppelbindend (und damit konfus) wird es, wenn
diese Werthierarchie nicht markiert wird
die zeitliche Staffelung (z. B. Kundenorientierung jetzt führt zu steigendem Umsatz
später
) unberücksichtigt bleibt.
    Hier wäre ein klares Wort fällig. Stiehlt man sich aus der Entscheidung, vernebelt man die eindeutige Vor- und Nachrangigkeit, kann niemand mehr zwischen »gewollt« und »ungewollt« unterscheiden. Dann bleibt nur der Sturz in die Depression.
    |231| Ruinöse Folgen
    Double-Bind ist die Demontage der Glaubwürdigkeit. Und die verstehende Milde des Analytikerblicks, der die Realitäten sieht und die Show entschuldigt, weil die Dinge ja nun mal so liegen, mag überall am Platze sein, nur nicht in den Überlebensfragen des Unternehmens. Wer aber die Veranstaltung durchschaut (und das tun viele), geht auf Distanz. Denn Double-Bind ist eine unaufrichtige Kommunikationsstrategie gegen die Adressaten. Sie höhlt die Unternehmenskultur von innen aus. Sie täuscht zielgerichtetes Handeln vor, wo sie es verhindert. Im Kern der Sache führt sie zu nichts als Orientierungsverlust und Resignation.
    Das geht – bekanntermaßen und zynisch gesehen – immer mal eine Weile gut. Die Tünche, die der inszenierte Schein über die Korruption der Unternehmenspolitik legt, ist aber dünn. Wenn Vertrauen gefragt ist, weil Krisen drohen, wenn Loyalität gebraucht wird, in schwierigen Zeiten, wenn ein »Gemeinsam schaffen wir’s!« gebraucht wird, dann ist der Preis fällig: »Ich lass’ mich doch von denen nicht …«
    Donna Goya, Vice President Human Resources von Levi Strauss & Co., sieht daher eine der Hauptgefahren für das Erreichen der Unternehmensziele in »mixed messages«. Durch sie entstehen Unternehmens-Pathologien anstelle kreativer Kulturen. Aus der Psychotherapie weiß man, dass Doppelbindungen Depressionen verursachen können. Die hellen und heiteren Sozialenergien, die wir für Kreativität und Innovation so dringend brauchen – wo sollen sie herkommen?
    Der mangelnde Mut zur klaren, bezugsfähigen Wert-Entscheidung führt zum Double-Bind, innerem Konflikt, zum Verpassen günstiger Gelegenheiten. Die ewige Hochzeit von Einerseits und Andererseits gebiert Folgen, deren Erstgeborene die Lähmung ist. Verantwortung wird nicht übernommen,
kann
nicht übernommen werden. Die lähmende Wirkung dieses Spagats und das Gefühl, den widersprüchlichen Forderungen nicht gerecht werden zu können, zerstören mögliche Leistung.
Nichts
zu erreichen, weil man alles erreichen soll. Das gefährdet das Selbstwertgefühl. Daher werden Abwehrmechanismen aufgebaut. Man zieht sich |232| zurück. Es wird nicht mehr aus dem vollen gelebt, sondern aus dem halben.
    Zwickmühlen
    Die Doppelbindungs-Inszenierung hat scheinbar Vorteile. Man kann fordern – aber ist nicht verantwortlich. Man ist modern – aber nicht haftbar. Man hat sich festgelegt – und doch wieder nicht. Vor allem kann man andere verantwortlich machen. Je nach Stimmungslage wird umgewertet. Besonders wenn es darum geht, Schuldige zu produzieren: aus eigeninitiativ wird eigensinnig, aus risikofreudig wird leichtsinnig, aus Selbstbewusst wird starrköpfig. Eine Forderung bleibt ja immer unberücksichtigt, und die kann nun eingeklagt werden. Ähnlich der Zwickmühle, die man nach Belieben auf- und zuzieht.
    Die Doppelbindung immunisiert den Botschafter gegen jeden Einspruch, dient also der Absicherung hierarchischer Macht. Denn wenn es keine klaren,
überpersonalen
Maßstäbe für gewolltes Handeln gibt, hängt alles an der aktuellen, unberechenbaren und willkürlichen Entscheidung des einzelnen. Da er sich nicht festlegt und keinen allgemein gültigen Maßstäben unterwirft, ist seine Entscheidungsfreiheit unbegrenzt. Die seiner Mitarbeiter um so begrenzter.
    Diese Situation kreiert geradezu das »Please the Boss«. Der Mitarbeiter hat den Chef ständig im Augenwinkel. Man überlegt, ob der Chef vielleicht zucken könnte – dann kann man ja schon mal prophylaktisch vorzucken. Alles guckt nach oben (statt nach außen: zum Kunden). Alle Energielinien laufen auf den Chef zu. Und dieser Chef beklagt sich dann, dass seine Mitarbeiter keine Verantwortung übernähmen, immer auf seine Entscheidung warteten ...
    ... die Mitarbeiter müssten ja auch mit dem Klammerbeutel gepudert sein, wenn sie – ohne sich vorher abzusichern – eine Entscheidung träfen. Denn das ist die Kehrseite: Die
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher