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Das Prinzip Selbstverantwortung

Titel: Das Prinzip Selbstverantwortung
Autoren: Reinhard K. Sprenger
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Kooperation
    »Oft habe ich das Gefühl, das einzige, was meine Teamkollegen an mir wirklich interessiert, ist mein Versagen.« Diese Worte eines jungen Gruppenleiters – gesprochen gegen Mitternacht, einer Zeit, die zweifellos die Selbstehrlichkeit fördert – weisen auf einen Strukturkonflikt hin, der die gesamte Unternehmenslandschaft bis ins Mark durchdringt und vielfältige Schieflagen erzeugt. Teamfähig zu sein ist zweifellos unabdingbar auf Märkten, deren Vielgestaltigkeit nur noch durch das Zusammenführen der verstreuten Kompetenzen im Unternehmen angemessen bewältigt werden kann. Wenn da nicht – von jedem Zweifel ungetrübt – weiterhin unverdrossen »Konkurrenz belebt das Geschäft!« posaunt würde. Ein verwirrendes, ein destruktives Muster:
»Sei teamfähig! – Aber setz dich durch!«
»Sei kooperativ! – Aber stich deinen internen Konkurrenten aus!«
»Identifiziere dich mit dem Ganzen! – Aber belohnt wird nur deine individuelle Leistung!«
»Verhalte dich gemeinschaftsdienlich! – Aber optimiere deine Selbstdarstellung, schließlich muss man dich ja auch beurteilen!«
    |227| So scheitern viele Teambildungs-Aktivitäten an der Tatsache, dass der hierarchische Flaschenhals oder andere Situationen künstlicher Verknappung auch den geneigtesten Teamplayer letztlich zum konkurrierenden Gegner machen. Führungskräfte werden kaum in Teams zusammenarbeiten, wenn das Unternehmen weiterhin Einzelkämpfertum, Durchsetzungsvermögen und Ressortegoismus belohnt. Die Hierarchiepyramide drückt Mitarbeiter strukturell (nicht unbedingt durch individuelle Absicht!) in den Wettbewerb. Denn ein Sieger produziert automatisch drei bis vier Verlierer, ob er will oder nicht … was in manchen Situationen schon mal »vergessen« wird, aber schon bei der nächsten Besprechung wieder aufbricht. Ein seelischer Wackelkontakt.
    Morton Deutsch hat in seinen Forschungen überzeugend dargetan, dass Vertrauen unter Wettbewerbsbedingungen nahezu unmöglich ist. Der Manager muss daher konkurrieren, ohne konkurrent zu
scheinen.
Er muss
so tun, als ob
er kooperativ ist. Mehr noch: Über die Leistungsbeurteilung konkurriert er sogar mit anderen bezüglich seines Kooperationsverhaltens. (Das kann dann nur noch die Chaostheorie klären.) Die Verhaltenskonflikte sind programmiert: Schauspielerei und Doppelzüngigkeit. Kommunikationspflege als Inszenierung des Scheins.
    Einige Unternehmen sehen das Dilemma. Sie sprechen dann von »übertriebener« Konkurrenz, machen den einzelnen für etwas haftbar, was strukturell an- und nahe gelegt ist. Sie handhaben dieses Dilemma so, dass sie mit allen möglichen Parolen Kooperation oberflächlich fördern – und stillschweigend Konkurrenz tolerieren, bei Stellenbesetzungen sogar mehrheitlich jene bevorzugen, die »Biss haben«, sich »durchsetzen können«, vor allem aber »nicht zu weich« sind. Die Ermutigung kooperativen Verhaltens wird zwar zur moralischen Maxime hochgestemmt – aber belohnt werden hard facts. So steht zwar »Mitarbeiter entwickeln!« in fast allen modernen Führungs-Curricula, gibt es Unmengen an Trainings zum Thema »Kommunikation und Kooperation« – aber im Beurteilungssystem bleibt speziell diese Leistung nur allzu oft völlig unberücksichtigt.
    Konkretes Praxisbeispiel: Viele Unternehmen haben Schwierigkeiten bei der Einführung teilautonomer Arbeitsgruppen. Sie |228| machen im Regelfall die mangelnde kooperative Einstellung der Mitarbeiter für die Übergangsschwierigkeiten verantwortlich. Man habe eben noch nicht gelernt, kooperativ in die Verantwortung zu gehen. Die konkurrenten Rahmenbedingungen, innerhalb deren das modische Kooperationsspiel gespielt wird, bleiben ausgeblendet. Sie sind es aber, die Verhalten belohnen und insofern konditionieren. Es ist kaum möglich, ein umfassendes Gemeinschaftsgefühl mit jemandem herzustellen, der eigentlich mein Rivale ist.
    Scheindeutigkeiten
    Gegenwärtig scheint ein hierarchiefreies Großunternehmen ohne internen Wettbewerb kaum vorstellbar. Ob jemals – das steht dahin (vielleicht aber reicht auch nur meine Phantasie nicht weit genug). Wir werden gewissen Paradoxien nicht entgehen. Oswald Neuberger hat gar auf die Tatsache aufmerksam gemacht, dass dies die Voraussetzung für die Führungsrolle ist. Auf plattdeutsch heißt diese Fähigkeit »Ambiguitäts-Toleranz«: das Ertragen von Mehrdeutigkeit; das Ausbalancieren widerstreitender Interessen, die beide berechtigt sind.
    Aber wir müssen diesen Wettbewerb ja
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