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Das Phantom im Opernhaus

Das Phantom im Opernhaus

Titel: Das Phantom im Opernhaus
Autoren: Jan Beinßen
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auf das kleine Geschenk: »Ich habe heute nicht Geburtstag, freue mich aber trotzdem«, sagte er und grinste Paul breit an.
    »Das ist nicht für Sie«, sagte Paul knapp und ließ das Kästchen in seiner Hosentasche verschwinden.
    »Ach … – nicht?« Blohfeld rückte noch näher an Paul heran. »Spaß beiseite, alter Junge: Sie haben nicht ernsthaft vor, das zu überreichen?«
    »Und ob ich das vorhabe!«, sagte Paul entschieden.
    Blohfeld sah ihn über seine Himmelfahrtsnase hinweg besorgt an. »Sie wissen, dass das Ihr Ende bedeutet?«
    »Reden Sie keinen Stuss, Blohfeld«, entgegnete Paul verärgert. »Sie haben doch keine Ahnung von Anstand und wahrer Liebe.«
    »Wahre Liebe.« Der Reporter kicherte. Dann sagte er mit klingender Stimme: »Ich prophezeie Ihnen: Wenn Sie es wirklich durchziehen, wenn Sie Ihr hässliches grünes Päckchen übergeben und sich dabei schmachtend vor ihr auf die Knie werfen, ist Ihr Leben als aufrechter freier Mann verwirkt.«
    »Blohfeld!« In Paul begann es zu sieden. »Ich bin 42 und habe genug vom Leben als aufrechter freier Mann – was doch in Wahrheit nichts anderes heißt als frustrierter einsamer Single. Ich habe dem Kind im Manne lange freien Lauf gelassen. Jetzt ist es Zeit, endlich erwachsen zu werden.«
    Blohfeld sah ihn eindringlich an. »Das bedeutet?«, fragte er misstrauisch.
    »Dass ich mein Leben in geordnete Bahnen lenken will. Ich will klare Verhältnisse schaffen. Privat – und übrigens auch sonst: Das Kriminalisieren gehört ab jetzt der Vergangenheit an!«
    »Große Worte«, kommentierte der Reporter spöttisch. »Na gut, wenn Sie sich so entschieden haben, will ich Ihrem Glück nicht im Wege stehen. Aber sagen Sie später nicht, ich hätte Sie nicht gewarnt.« Er reckte seinen dürren Hals und sah sich im Biergarten um. »Apropos Glück: Wo bleibt Ihre Holde eigentlich?«
    »Sie hätte vor einer halben Stunde hier sein sollen«, gab Paul widerwillig zu.
    Blohfeld feixte. »Vielleicht ahnt sie, was auf sie zukommt, und ist getürmt. In dem Fall hätten Sie doch noch eine Überlebenschance.«
    »Sie sind ein Idiot, Blohfeld, und ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie verschwinden würden.«
    »Ich habe ja noch gar nichts bestellt!«
    »Es gibt genügend andere Biergärten in der Stadt!« Schon während Paul diese Worte aussprach, wusste er, dass er zu weit gegangen war. Versöhnlich fügte er hinzu: »Nehmen Sie es mir nicht krumm, aber es gibt ein paar Dinge in meinem Leben, die sind privat. Rein privat.«
    Der Reporter nickte, und unter seiner aufgesetzten Lässigkeit wirkte er mit einem Mal betrübt. »Ehrensache. Ich werde Sie allein lassen, sobald die Dame Ihres Herzens eintrifft. Aber schlagen Sie meine Warnungen nicht komplett in den Wind. Sie werden nie wieder eigenständig sein, nie wieder nur sich selbst verantwortlich.«
    »Alter Schwarzmaler«, schalt ihn Paul freundlich. »Ist es nicht vielleicht so, dass Sie ein bisschen neidisch auf mich sind?«
    Blohfeld plusterte sich auf und nahm eine Haltung an, als wollte er diese Frage – diesen ungeheuerlichen Vorwurf! – mit großer Geste von sich weisen. Doch dann sank er wieder in sich zusammen und sagte recht leise: »Neidisch … – na, vielleicht ein winziges bisschen. Aber das haben Sie jetzt nicht gehört!«
    Paul freute sich über die seltene Aufrichtigkeit des Reporters. Deshalb protestierte er auch nicht, als Blohfeld sich ein leichtes Hefeweizen bestellte und damit zu verstehen gab, dass er nicht die Absicht hatte, früher als unbedingt nötig das Feld zu räumen. Bald entwickelte sich ein ungewöhnlich offenes Gespräch zwischen den beiden. Es ging um Beziehungen, um Frauen, um die Liebe an sich. Blohfeld plauderte und taute mit jeder neuen Offenbarung aus seinem sonst so sorgsam gehüteten Privatleben merklich auf. Allerdings kündigte sich ein Ende seiner mitteilsamen Phase an, als er merkte, dass sein raubeiniges Image zu bröckeln begann: »Beinahe, Flemming, beinahe hätte ich sie zum Traualtar geführt«, berichtete er über eine junge Frau namens Katrin, mit der er in den 8oern liiert gewesen war.
    »Dann wären Sie jetzt seit einem Vierteljahrhundert verheiratet. Was ist denn aus ihr geworden? Sehnen Sie sich noch nach ihr?«, erkundigte sich Paul.
    Blohfeld war es sich und seinem Ansehen schuldig, die Notbremse zu ziehen: »Wo denken Sie hin? Darüber bin ich längst hinweg. Allein die Vorstellung, mit einer Frau verheiratet zu sein, die fast so alt ist wie ich, ist entsetzlich.
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