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Das Phantom im Opernhaus

Das Phantom im Opernhaus

Titel: Das Phantom im Opernhaus
Autoren: Jan Beinßen
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eigentlich?«, erkundigte sich Paul, nachdem er die Erlaubnis erhalten hatte, seine Fotos zu schießen.
    Katinka, die sich in ihren Notizen vergraben hatte, sah fragend zum ihm auf: »Auf der Hinterbühne der Oper. Bist du bis hierher schlafgewandelt oder warum fragst du?«
    »Das meine ich nicht.« Paul deutete auf die Kulissenteile, die den Toten umgaben. »Von welchem Stück stammen die?«
    Katinka zuckte mit den Schultern. »So weit reicht meine kulturelle Bildung leider nicht.«
    »Aber meine«, mischte sich Blohfeld ein. »Das ist Lucrezia Borgia von Donizetti. Wurde vor einem Jahr gespielt, lief aber nicht besonders und wurde schon vor Abschluss der geplanten Spielzeit abgesetzt. War den meisten wohl zu anspruchsvoll.«
    Paul und Katinka sahen den schlaksigen Reporter erstaunt an. »Woher wissen Sie das denn?«, fragte Paul, dessen Weltbild soeben heftig zu wanken begann. »Ausgerechnet Sie kennen sich mit Opern aus?«
    »Aber sicher«, sagte Blohfeld leichthin und lieferte sodann eine einleuchtende Begründung: »Unsere Zeitung hat zwei feste Sitzplätze reserviert. Wenn die Jungs vom Feuilleton sie mal nicht in Anspruch nehmen, gönne ich mir ab und zu einen Happen Kultur. Das lenkt ab vom rauen Reporteralltag.« Verschmitzt fügte er hinzu: »Außerdem stehe ich auf die klassischen Kostüme mit ihren tiefen Dekolletes.«
    »Mit diesem Satz haben Sie die eben erworbene Hochachtung vor Ihnen gleich wieder zunichte gemacht«, bemerkte Katinka. »Und nun, meine Herren …« Sie breitete ihre Arme aus und trieb Paul und Blohfeld vor sich her. »… ist es genug mit der Fragerei und dem Geblitze. Sie haben alles, was Sie für Ihre werte Leserschaft brauchen, und wir haben zu tun. Auf Wiedersehen!«
    Katinkas beherzter Versuch, die beiden loszuwerden, wurde dadurch vereitelt, dass in diesem Moment eine weitere Person die Hinterbühne betrat: Ein großer, korpulenter Mann in einem schlecht sitzenden Anzug, mit schrill gemusterter Krawatte und rosig glühenden Pausbacken kam im leichten Trab auf sie zu. Dabei schwabbelte sein Bauch bedrohlich über dem Gürtel und brachte die Zipfel seines Hemdes zum Vorschein. »Was ist hier los?«, fragte er mit dem Habitus des Hausherrn. Hätte Paul nicht genau gewusst, dass der Generalmusikdirektor ganz anders aussah, hätte er den Neuankömmling allein von seinem wichtigtuerischen Auftreten her für eben jenen gehalten.
    Katinka legte ihre Unterlagen ohne Eile beiseite und ließ den Mann mit einem vernichtenden Blick abblitzen. »Ich bin Oberstaatsanwältin Blohm – und ich bin es, die hier die Fragen stellt. Wer sind Sie?«
    Der beleibte Mann schnaufte aufgebracht. »Klinger! Jürgen Klinger ist mein Name. Dramaturg und zuständig fürs Marketing.« Er reckte sich, um an Katinka vorbeiblicken zu können. Er sah das Gewimmel der Polizeibeamten, dann den Leichnam auf dem Boden. »Um Himmels willen«, murmelte er und presste sich seine fleischige Hand vor den Mund. Obwohl der Leichnam größtenteils abgedeckt war, schien der Dramaturg an Schuhen und Hosenbeinen zu erkennen, um wen es sich handelte. »Das ist doch … – Baumann!« Er schnappte nach Luft und fragte überflüssigerweise: »Ist er tot?«
    Katinka bestätigte dies. Was sich daraufhin hinter Klingers Stirn abspielte, konnte man aus verschiedenen hilflosen Gebärden und einem wirren Mienenspiel ungefähr schließen. Schließlich erlangte er seine Fassung zurück und fragte: »Sie wollen das doch nicht etwa an die große Glocke hängen?«
    »Das?« ,wiederholte Katinka scharf. »Es handelt sich um den gewaltsamen Tod eines Menschen. Was, bitte sehr, erwarten Sie von mir?«
    »Wahrscheinlich handelt es sich um einen Arbeitsunfall«, sagte Klinger mit unruhigem Blick. »Sie werden sehen: Die Obduktion wird ergeben, dass er gestürzt ist und sich dabei tödlich verletzt hat. Oder es gibt eine andere triftige Erklärung. Vielleicht war er krank. Ein Herzanfall?« Klinger wandte sich nun an Blohfeld und Paul: »Jedenfalls besteht kein Grund, den Vorfall in der Presse aufzubauschen. Das wird sich alles in Wohlgefallen auflösen. Wenn Sie jetzt groß darüber berichten, wecken Sie bei Ihren Lesern Erwartungen, die Sie später nicht halten können. Und das ausgerechnet so kurz vor unserem schönen Opernball! Ich gebe Ihnen einen guten Rat: Machen Sie keinen Reißer daraus. Denn Sie schneiden sich ins eigene Fleisch, wenn Sie …«
    »Stopp!«, unterbrach Katinka seinen Redeschwall. »Die Herren von der Presse wollten gerade
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