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Das peinlichste Jahr meines Lebens

Das peinlichste Jahr meines Lebens

Titel: Das peinlichste Jahr meines Lebens
Autoren: Mark Lowery
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um«, sagte Dave und stieß die Fahrertür auf.
    Ste versuchte verzweifelt, aus dem Auto herauszukommen und zu flüchten. Hinter mir jammerte Lucy.
    Mit einem einzigen Hieb zertrümmerte Dave die Windschutzscheibe des Autos und zog Ste an den Schultern daraus hervor. Ich hielt mir die Augen zu. Es folgte eine Reihe dumpfer Schläge und lauter Schreie.
    Als ich mich traute, wieder hinzuschauen, zerrten ungefähr zehn Polizisten Dave zurück. Mein Bruder hockte auf den Knien, Blut lief ihm aus der Nase, und sein Hemd war vorn zerrissen. Doch seine Wunden schienen ihm nicht so viel auszumachen wie sein kaputter Golf.
    »Mein Wagen. Mein schöner Wagen«, jammerte er.
    Völlig mit dem demolierten Auto beschäftigt, merkte Ste erst, dass Lucy auf ihn zuging, als sie direkt vor ihm stand. Sie hatte die Schwanzflosse abgestreift und trug jetzt bloß einen Bikini.
    »Baby«, sagte er und rappelte sich auf, »es ist nicht so, wie du denkst. Ich hab das Mädchen bloß mitgenommen. Ich wollte gerade kommen und dich auf deinem Festwagen bewundern. Ganz ehrlich. Sie hatte was im Auge, und ich wollte es daraus entfernen.«
    Lucy holte aus und verpasste Ste einen wuchtigen rechten Haken auf die Nase. Er verdrehte die Augen. Dann torkelte er ein paar Mal herum, bekam weiche Knie und sank mit dumpfem Aufprall zu Boden.
    Lucy marschierte zu ihrem Dad, der sich beruhigte, als er sah, wie sie Ste die Lichter ausgeknipst hatte.
    »Ich hab dir ja gesagt, dass er nichts taugt«, brummte Dave. »Kein Wunder, dass du deinen Wettkampf verloren hast. Wenn du dir ständig wegen ihm Sorgen machst. Die Jungs kosten dich noch deine Karriere, weißt du das?«
    Lucys Unterlippe zitterte. »Karriere? Ist das alles, was dich interessiert? Du lässt mich tagein, tagaus trainieren. Du kontrollierst mich. Du fragst nicht mal, ob’s mir gut geht, wenn mich jemand wie Dreck behandelt. Ich will keine blöde Karriere als Schwimmerin. Ich will auch nicht mehr trainieren. Ich hab die Nase voll. Ich hör auf.«
    Ich verspürte den unwiderstehlichen Drang, ihr zu helfen. Sie zu umarmen, so wie sie es mir versprochen hatte. Aber ehe ich mich vom Fleck rühren konnte, war sie schon davongestürmt. Dave wollte ihr nachlaufen, doch die Polizeibeamten hielten ihn zurück. Während sie in dem Menschenmeer verschwand, schlüpfte ich aus dem Führerhaus.
    Hinter mir gab es ein weiteres Handgemenge. Eine zweite Gruppe von Polizisten versuchte Mum zu bändigen.
    »Lassen Sie mich los!«, rief sie. »Ich bin ein Menschenkind. Ein Menschenkind sieht so aus. Sie verhaften mich, weil ich im Naturzustand bin.«
    »Nein«, erwiderte eine der Polizistinnen ruhig. »Wir verhaften Sie wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses und Unruhestiftung.«
    Plötzlich war Mum ganz aufgewühlt. »Hören Sie, bitte verhaften Sie mich nicht. Ich habe den falschen Wagen erwischt. Tut mir leid. Das sollte ein friedlicher Protest werden. Ich hatte es auf den Wagen mit den Richtern abgesehen. Nicht auf diesen hier. Ich wollte, dass sie die Gesetze ändern. Ich will einfach nur nackt sein dürfen. So herumlaufen können, wie es die Natur vorgesehen hat. Wegen der Maske konnte ich nicht sehen, auf welchen Wagen ich geklettert bin. Da drüben steht mein Mann. Er wird Ihnen alles erklären. Roy. Hilf mir.«
    »Natürlich tut er das«, sagte die Polizistin und führte sie entschlossen ab.
    Ich entdeckte Dad vorn in der Menge. »Ich wollte sie davon abhalten, aber sie hat nicht auf mich gehört«, sagte er mit traurigem Kopfschütteln, während sich die Tür des Polizeiwagens hinter ihr schloss.
    Das Ende
    Das also ist das Ende der Geschichte. Mum verbrachte eine Nacht auf dem Polizeirevier, und als sie entlassen wurde, führten sie und Dad ein ernstes Gespräch. Seitdem war sie im Haus nicht wieder nackt, dem Himmel sei Dank. Doch der Schrecken dieser ganzen Nudistensache hat mich immer noch fest im Griff.
    Zwei Tage nach dem Fackelumzug ist Ste nach Australien geflogen um dort bei unserem Onkel zu bleiben, bis sich der Sturm gelegt hat. Mum hat das Ticket bezahlt, als Vorschuss auf die Versicherungssumme für sein Auto. Nach dem Schulabschluss wollte er sowieso nach Australien, aber jetzt hat er es vorverlegt. Ich weiß nicht, und es interessiert mich auch nicht besonders, wann er zurückkommt.
    Soweit ich weiß, wurden Dave und Lucy King nach dieser ganzen Sache nicht mehr im Schwimmverein gesehen.
    Seit ich die Geschichte beendet habe, geht es mir etwas besser. Aber während ich hier sitze, die
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