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Das peinlichste Jahr meines Lebens

Das peinlichste Jahr meines Lebens

Titel: Das peinlichste Jahr meines Lebens
Autoren: Mark Lowery
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seiner Scheibenwischanlage zu löschen. Das Auto hat Ste sich geleistet, als er sich vor ein paar Jahren beim Fußballspielen das Bein brach und dann behauptete, er sei über eine vorstehende Gehwegplatte gestolpert. Er hat die Gemeinde auf mehr als 6000  Pfund verklagt. Den Rest hat er mit dem Schutzgeld bezahlt, das er von mir verlangte, als ich sieben und acht war, und mit dem Geld, das er bei Mum und Dad rausschlug. Irgendwie hat er trotzdem immer noch so viel Geld, dass er plant, nach den Abschlussprüfungen für ein Jahr nach Australien zu gehen.
Die Mädchen an unserer Schule scheinen der Ansicht zu sein, dass er gut aussieht. Ich weiß nicht, wie oft ich schon von kichernden Mädchen im Flur angehalten wurde, die so dummes Zeug fragen wie: »Bist du der Bruder von Sexy Ste aus der Oberstufe?« Einmal hat mich ein Mädchen gefragt, ob ich irgendwelche Urlaubsfotos von ihm in Badehose hätte, und hat mir einen Zehnpfundschein für eins geboten. Als ich fragte, wie sie darauf käme, dass ich eins mit mir rumschleppen würde, hat sie mir auf den Fuß getrampelt und mich einen »hässlichen kleinen Hobbit« genannt.
Mit fünf Jahren war ich am Strand mal beim Eselreiten. Ste ist hinter dem Esel hergelaufen und hat ihn auf den Hintern gehauen. Da drehte der Esel total durch und rannte über den Sand, machte plötzlich eine Vollbremsung und schleuderte mich über einen Zaun. Seitdem habe ich eine Narbe unterm Kinn und eine Sterbensangst vor Eseln.
    »Tolle Karre, Ste«, sagte Paul und strich mit der Hand über die Motorhaube des Autos.
    Ste stieß seine Hand weg. »Hey hey hey, du Halbtonner. Rühr nicht an, was du dir nicht leisten kannst. Lass die klebrigen Finger vom Liebeswagen.«
    Ste sagt ständig so was wie »Hey hey hey« und »Rühr nicht an, was du dir nicht leisten kannst«. Manchmal nennt er sich sogar »der Stevenator«. Wahrscheinlich habe ich schon gesagt, dass er ein Idiot ist.
    »Was machst du denn hier?«, fragte ich seufzend.
    »Der Stevenator will euch Jungs abholen. Ich dachte, ihr wollt vielleicht mitfahren.«
    »Echt?«, fragte Paul ein bisschen zu begierig.
    Ste grinste breit. »Natürlich nicht. Euch zwei Lahmärsche würde ich nur in meinen Schlitten lassen, wenn ihr an zwei scharfen Chicas festgeschnallt wärt …
hey hey hey
ist ja traumhaft!«
    Ich folgte Stes Blick, der plötzlich über meine Schulter gerichtet war. Das Haar vom Schwimmen noch ganz zerzaust und ein breites Lächeln im Gesicht, kam die entzückende Lucy King die Stufen vom Freizeitzentrum heruntergehüpft.
    Was hatte sie vor?
    Ste winkte ihr kurz und kitschig zu und knurrte dann leise: »Verschwindet, ihr zwei Kackhaufen. Ihr blockiert die geheimnisvollen Kräfte menschlicher Anziehung.«
    Ich rang nach Atem. »Was hast du …«
    Er wollte doch nicht … Sie wollte doch nicht …
    Als ich merkte, dass er mich gar nicht beachtete, verstummte ich. Lucy kam herübergehüpft, und wisst ihr, was er machte?
    Er küsste sie direkt auf die Lippen. Die Lippen. In aller Öffentlichkeit.
    Meine Rippen verwandelten sich in Eis und ließen mein Herz gefrieren. Pauls Mund stand offen, und der Sabber lief ihm ungehindert übers Kinn.
    Nach etwa fünf Sekunden (viel zu spät) räusperte ich mich laut. Die beiden Turteltauben drehten sich langsam um und starrten mich an. Ste kniff die Augen zusammen wie ein wütendes Reptil. Lucy schien über meine Anwesenheit verblüfft zu sein.
    Mein Gesicht begann zu brennen, und ich spürte ein Kratzen im Hals. »Wie … lange … seid …«
    Ste zeigte ein Lächeln, mit dem er mühelos den Titel des selbstgefälligsten Manns der Welt gewonnen hätte. »Tja, ich bin seit letzter Woche mit der entzückenden Lucy liiert, und als sie mir ihren Namen nannte, hab ich gedacht, dass man ihn L-U-C-K-Y buchstabieren müsste, denn das war der glücklichste Tag meines Lebens.«
    In dem Moment hätte ich mich wirklich fast übergeben. Hätte ich nicht befürchtet, dass mich Ste wegen der Beschmutzung seines Autos umbringen würde, hätte ich es getan. Und wisst ihr, was Lucy tat, als sie diesen abscheulichen Unsinn hörte? Sie kräuselte die Nase, legte den Arm um Stes Taille und gab einen Ton von sich, wie es die meisten Leute nur beim Anblick eines verunstalteten Kätzchens tun.
    Ste zerzauste mein Haar. »Und diese beiden Weltmeister sind mein Bruder Mikey und sein Freund Paul.« [12]
    Lucy verzog den Mund, als hätte sie gerade eine Ladung Gallenflüssigkeit runterschlucken müssen. »O ja. Die
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