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Das peinlichste Jahr meines Lebens

Das peinlichste Jahr meines Lebens

Titel: Das peinlichste Jahr meines Lebens
Autoren: Mark Lowery
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sich wieder pfeifend an ihren Schreibtisch. Sobald ich mit diesem Teil der Geschichte fertig bin, verschwinde ich von hier.
    Vor dem Freizeitzentrum
    Ich verbrachte mit Paul mindestens fünfundzwanzig Minuten vor dem Automaten. Nach dem Training kaufe ich mir immer dasselbe. Einen einfachen Milchschokoladenriegel. Da muss man sich nicht mit irgendwelchen überflüssigen Zutaten abgeben – nur Schokolade und sonst nichts. Geld einwerfen. D 3 drücken. In den Schlitz greifen. Essen. Jede Woche dasselbe.
    Doch Paul hat keinen Plan, wenn er vor den Automaten tritt. Er wirft das Geld ein und überlegt erst dann, was er kaufen könnte. Die ganze Zeit kommentiert er die Sachen, die zur Auswahl stehen. Das ist dumm, weil es Zeitverschwendung ist und es die Leute hinter ihm voll ärgert. Schon bald bildete sich eine Schlange. Einige der Anstehenden blickten auf die Uhr und brummelten irgendwas, während er sagte: »Nein, keine Weingummis, die hatte ich schon dreimal diese Woche, auf Murray Mints stehe ich nicht, Nüsse finde ich auch nicht besonders toll, Wasser ist völlig indiskutabel. Keine Fruchtpastillen mehr da, ich wusste, ich hätte sie vorher ziehen sollen. Man muss das Eisen schmieden, solange es heiß ist.« Als ich ihn auf die Schlange hinter ihm aufmerksam machte, wurde er knallrot im Gesicht und drückte in seiner Wut wahllos irgendwelche Knöpfe.
    Draußen maulte er wie üblich herum. »Warum hast du mich so gedrängelt? Ich wollte nicht Chips mit Speckgeschmack
und
Fruchtgummis haben.«
    »Das kommt einem ausgewogenen Frühstück so nah wie möglich«, sagte ich sarkastisch.
    Paul schniefte. »Ja, wahrscheinlich schon. Fleisch und Obst. Hey, ist das nicht dein Bruder?«
    Mir rutschte das Herz in die Hose. Paul hatte recht. Mein älterer Bruder Ste lehnte an seinem Auto (das auf einem Behindertenparkplatz stand, obwohl Ste nicht körperbehindert ist).
    »Meinst du, er nimmt uns mit?«, fragte Paul und besprühte mich dabei mit Chipskrümeln.
    Ich schnaubte. »Paul, selbst wenn du dir die Chipskrümel abklopfen würdest und du in eine riesige Plastiktüte eingeschweißt wärst, würde er dich nicht in sein Auto lassen. Es bedeutet ihm mehr als sein Leben.«
    Das stimmt wirklich. Ste war mal mit einer seiner vielen Freundinnen bei uns zu Hause. Als sie sich an einer Dose Bohnen in den Finger schnitt, begann sie stark zu bluten, und ich meine, das Blut strömte nur so. Da flippte sie völlig aus und sagte, er müsse sie sofort ins Krankenhaus fahren. Und weißt du, was er gemacht hat? Er hat sie zwar hingefahren, aber sie musste auf dem ganzen Weg die Hand aus dem Fenster halten, damit kein Blut auf die Sitze tropfte. Und danach hat er ihr den Laufpass gegeben, weil sie »fast seinen Wagen beschmutzt« hätte.
    »Hey hey hey, ihr Versager!«, rief mein Bruder und zog die Sonnenbrille ab.
    »Na toll. Er hat uns gesehen«, stöhnte ich.
     
    Warum ich meinen Bruder hasse:
    Er hat einen Ziegenbart. Ich kann Bärte nicht ausstehen, besonders wenn sie wie an den Lippen klebende Nacktschnecken aussehen. Das hat nichts damit zu tun, dass er sich schon einen Bart wachsen lassen kann und ich nicht.
Wenn er einen Pickel kriegt, deckt er ihn mit Schminke ab. Er glaubt, das fällt keinem auf, aber aus nächster Nähe sieht man all die krustigen orangerosa Flecken in seinem Gesicht. [10]
Vor vier Jahren haben er und seine Freunde, als meine Eltern nicht zu Hause waren, meinen Hamster gezwungen, eine Zigarre zu rauchen. Das fanden sie »irrsinnig witzig«. Aber ich bin mir sicher, dass sich Humphrey dabei Atemprobleme zugezogen hat. Seit diesem verhängnisvollen Tag keuchte der arme kleine Kerl schon nach ein paar Minuten in seinem Hamsterrad wie ein alter Mann. [11]
Er hat ein Auto. Aber nicht irgendein Auto. Einen VW Golf GTI mit 1 , 6 -Liter-Motor, Alu-Felgen, Lederausstattung, Wunschkennzeichen ( COOL S 1 E – auf beiden Seiten der 1 eine unzulässige Schraube, damit sie wie ein T aussieht), einer 500  Pfund teuren Stereoanlage mit Bässen, von denen einem das Trommelfell platzt, einem Aufkleber am Heck, auf dem »Liebeswagen« steht, und einem kuscheligen I-Aah, der »den Frauen zuliebe« am Rückspiegel hängt. Schätzungsweise neunzig Prozent seiner Zeit fährt er in seinem Auto durch die Gegend und hupt den Mädchen hinterher. Er hat mal zu mir gesagt, wenn ich in Flammen stünde und gleichzeitig auf seiner Windschutzscheibe ein Fettfleck wäre, würde er keinen Gedanken daran verschwenden, mich mit dem Wasser
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