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Das Paradies ist anderswo

Das Paradies ist anderswo

Titel: Das Paradies ist anderswo
Autoren: Mario Vargas Llosa
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›Adieu, ohne Groll, lieber Paul.‹
    Ihr Fortgang schmerzte ihn wenig; wenn sie nicht gegangen wäre, hätte er sie am Ende wahrscheinlich vor die Tür gesetzt. Endlich konnte er sich konzentrieren und in aller Ruhe arbeiten. Nach Schwierigkeiten, Krankheiten und Hindernissen fühlte er nun, daß seine Reise in die Südsee, auf der Suche nach der ursprünglichen Welt, nicht vergeblich gewesen war. Nein, Paul. Seit deinem Rückzug nach Mataiea hattest du fast dreißig Bilder gemalt, und wenn auch kein Meisterwerk darunter war, so war dein Malen doch durch die ungezähmte Welt, die dich umgab, freier und kühner geworden. Warst du nicht zufrieden? Nein, du warst es nicht.
    Wenige Wochen nach Titis Fortgang begann es ihn nach einer Frau zu verlangen. Die Nachbarn in Mataiea, fast alle Maori, mit denen er gut auskam und die er ab und zu in seine Hütte zu einem Glas Rum einlud, rieten ihm, sich eine Gefährtin in den Dörfern der Ostküste zu suchen, wo es heiratswillige Mädchen gab. Die Sache war einfacher, als er vermutet hatte. Er begab sich zu Pferde auf eine Expedition, die er »Auf der Suche nach der Sabinerin« nannte, und in der winzigen Ortschaft Faaone, in einem Zelt am Wegrand, wo er anhielt, um eine Erfrischung zu sich zu nehmen, fragte die Frau, die ihn bediente, was er in dieser Gegend suche.
    »Eine Frau, die mit mir leben möchte«, scherzte er.
    Die Frau, breithüftig, noch immer gefällig, betrachtete ihn einen Augenblick, bevor sie wieder das Wort ergriff. Sie musterte ihn, als wollte sie in seiner Seele lesen.
    »Vielleicht ist meine Tochter das richtige für Sie«, schlug sie ihm schließlich sehr ernst vor. »Wollen Sie sie sehen?«
    Koke nickte verwirrt. Einige Augenblicke später kehrte die Frau mit Teha’amana zurück. Sie sagte, ihre Tochter sei erst dreizehn Jahre alt, trotz ihres entwickelten Körpers mit festen Brüsten und Schenkeln und ihrer vollen Lippen, die schneeweiße Zähne entblößten. Paul näherte sich ihr, leicht verlegen. Wollte sie seine Frau sein? Das Mädchen nickte lachend.
    »Hast du denn keine Angst vor mir, wo du mich doch gar nicht kennst?«
    Teha’amana schüttelte den Kopf.
    »Hast du Krankheiten gehabt?«
    »Nein.«
    »Kannst du kochen?«
    Eine halbe Stunde später machte er sich auf den Rückweg nach Mataiea, zu Fuß gefolgt von seiner Neuerwerbung, einer schönen Eingeborenen, die ein sanftes Französisch sprach und ihren ganzen Besitz über der Schulter trug. Er hatte ihr angeboten, sie auf die Kruppe des Pferdes zu nehmen, doch das Mädchen hatte sich geweigert, als wäre dieser Vorschlag ein Sakrileg. Seit diesem ersten Tag nannte sie ihn Koke. Der Name sollte sich in Windeseile verbreiten, und bald darauf nannten ihn alle Bewohner von Mataiea und später alle Tahitianer und sogar einige Europäer so.
    An diese ersten Monate seines Ehelebens mit Teha’amana, Ende 1892 und Anfang 1893, in der Hütte in Mataiea, sollte er sich oft als an die besten seiner Zeit auf Tahiti, vielleicht sogar seines Lebens, erinnern. Seine kleine Frau war eine unerschöpfliche Quelle der Lust. Bereit, sich ihm hinzugeben, wann immer er nach ihr verlangte, tat sie es ohne Ziererei, mit ungeniertem Genuß und anregendem Vergnügen. Außerdem war sie fleißig – was für ein Unterschied zu Titi! – und wusch die Wäsche, hielt die Hütte sauber und kochte mit der gleichen Begeisterung, die sie im Bett an den Tag legte. Wenn sie im Meer oder in der Lagunebadete, schimmerte ihre bläuliche Haut in Reflexen, die Paul mit Zärtlichkeit erfüllten. Ihr linker Fuß hatte sieben Zehen statt fünf; zwei waren fleischliche Auswüchse, für die sich das Mädchen schämte. Aber Koke fand sie amüsant, und es gefiel ihm, sie zu liebkosen.
    Zu Mißstimmung kam es nur, wenn er sie bat, für ihn Modell zu stehen. Teha’amana langweilte sich, wenn sie lange reglos in derselben Haltung posieren sollte, und manchmal lief sie mit verdrossener Miene, ohne Erklärung, davon. Hätte es nicht die chronischen Probleme mit dem Geld gegeben, das niemals rechtzeitig eintraf und das, wenn die Überweisungen kamen, die sein Freund Daniel de Monfreid ihm nach dem Verkauf eines Bildes in Europa schickte, ihm sogleich wieder durch die Finger rann, dann hätte Koke sich in jenen Monaten gesagt, daß er dem Glück endlich auf den Fersen war. Doch wann käme das Meisterwerk, Koke?
    In seinem Hang, die alltäglichen Dinge des Lebens in Mythen zu verwandeln, sollte er sich später sagen, daß die Hoffnung, dem
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