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Das Paradies ist anderswo

Das Paradies ist anderswo

Titel: Das Paradies ist anderswo
Autoren: Mario Vargas Llosa
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in den Tiefen, den Höhlen, den Schlupfwinkeln des Unterholzes, den hohlen Stämmen hausten und ihre Verstecke verließen, um die Lebenden zu erschrecken und zu quälen. Das sagte Moerenhout in diesem Buch, das der Siedler Goupil dir geliehen hatte und das sich ausführlich mit den Göttern und Dämonen der Maori befaßte, vor der Ankunft der Europäer, die dann ihren Glauben und ihre Sitten zerstörten. Und womöglich sprach von ihnen auch jener Roman von Pierre Loti, der Vincent begeistert und dir zum ersten Mal den Gedanken an Tahiti in den Kopf gepflanzthatte. Aber die Europäer hatten sie trotz allem nicht ganz zum Verschwinden gebracht. Etwas von dieser schönen Vergangenheit regte sich noch unter der christlichen Hülle, die Missionare und Seelenhirten den Eingeborenen aufgezwungen hatten. Sie sprachen nie darüber, und jedesmal wenn Koke versuchte, ihnen etwas über ihren alten Glauben zu entlocken, über die Zeit, in der sie frei waren, wie nur Wilde es sein können, schauten sie ihn verständnislos an. Sie lachten über ihn, wovon redete er?, als wäre das, was ihre Vorfahren einst getan, angebetet und gefürchtet hatten, völlig aus ihrem Leben verschwunden. Das stimmte nicht; zumindest dieser Mythos war noch immer lebendig; das bewies das klagende Gestammel des Mädchens in deinen Armen: tupapau , tupapau .
    Er fühlte eine beginnende Erektion. Er bebte vor Erregung. Als das Mädchen es merkte, glitt es auf die Matratze, mit dieser abgemessenen, leicht katzenhaften Trägheit, die ihn bei den eingeborenen Frauen so betörte und verwirrte, und wartete, daß er sich auszog. Mit fieberndem Körper legte er sich zu ihr, aber statt sie zu besteigen, hieß er sie, sich auf den Bauch zu drehen, die Haltung einzunehmen, in der er sie überrascht hatte. Er hatte noch immer den unauslöschlichen Anblick dieser vor Angst zusammengekniffenen, emporgereckten Hinterbacken in den Augen. Es kostete ihn Mühe, in sie einzudringen – er gewahrte, wie sie schnurrte, klagte, sich wand und schließlich aufschrie – , und kaum fühlte er, daß sein Glied in ihr geborgen war, zusammengedrückt und schmerzend, ejakulierte er mit dem heulenden Laut eines Tieres. Einen Augenblick lang, während er Teha’amana sodomisierte, hatte er sich wie ein Wilder gefühlt.
    Am nächsten Morgen, im ersten Licht der Frühe, begann er zu arbeiten. Der Tag war trocken, und am Himmel standen spärliche Wolken; bald würde in seinem Umkreis ein Fest von Farben explodieren. Er ging hinaus und nahm ein Bad am Wasserfall, nackt, und dachte daran, daß ihm kurz nach seiner Ankunft hier ein unfreundlicher Gendarmnamens Claverie, der gesehen hatte, wie er unbekleidet im Fluß plätscherte, eine Strafe wegen »Verletzung der öffentlichen Moral« auferlegt hatte. Dein erster Zusammenstoß mit einer Wirklichkeit, die deinen Träumen widersprach, Koke. Dann machte er sich in aller Eile eine Tasse Tee. Er verging fast vor Ungeduld. Als Teha’amana eine halbe Stunde später aufwachte, war er so vertieft in seine Skizzen und Notizen zur Vorbereitung des Bildes, daß er nicht einmal ihren Gruß hörte.
    Eine Woche lang arbeitete er unermüdlich hinter verschlossenen Türen. Er verließ das Atelier nur am Mittag, um im Schatten des üppigen Mangobaums neben der Hütte ein paar Früchte zu essen oder eine Konservendose zu öffnen, und arbeitete dann weiter, bis das Licht zur Neige ging. Am zweiten Tag rief er Teha’amana, entkleidete sie und hieß sie auf der Matratze die gleiche Haltung einnehmen, in der er sie vorgefunden hatte, als sie im Glauben gewesen war, er sei ein tupapau . Ihm wurde sofort klar, daß es absurd war. Das Mädchen würde das, was er auf dem Bild festhalten wollte, nicht noch einmal darstellen können: diesen aus der fernsten Vergangenheit gekommenen religiösen Schrecken, in dem ihr der Dämon erschienen war, eine Angst, so mächtig, daß sie dem tupapau Gestalt verliehen hatte. Jetzt lachte sie oder unterdrückte das Lachen, während sie versuchte, auf sein Geheiß hin wieder einen ängstlichen Gesichtsausdruck aufzusetzen. Und ihr Körper besaß nicht die Spannkraft, die Biegung der Wirbelsäule, die ihre Hinterbacken in einer wollüstigen Weise aufragen ließ, wie Koke sie nie zuvor gesehen hatte. Es war dumm, sie posieren zu lassen. Das Material befand sich in seiner Erinnerung: es war das Bild, das er jedesmal wieder sah, wenn er die Augen schloß, verbunden mit dem Begehren, das ihn in jenen Tagen, während er Manao tupapau malte
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