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Das Paradies der Damen - 11

Das Paradies der Damen - 11

Titel: Das Paradies der Damen - 11
Autoren: Émile Zola
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wie jemand, der in einer ungeduldigen Erwartung enttäuscht worden ist, und sagte:
    »Gut, gut, legen Sie es hin!«
    Lhomme wußte, daß der Chef es liebte, die Einnahmen auf seinem Schreibtisch zu sehen, bevor man sie in die Hauptkasse schaffte. Die Million bedeckte die ganze Fläche, überflutete die Papiere, drängte fast das Tintenfaß über den Rand. Das Gold, das Silber, das Kupfer floß aus den Säcken, bildete einen riesigen Haufen, jedes Stück aus den Händen der Kundschaft gekommen, noch warm und gleichsam lebendig.
    In dem Augenblick, als der Kassierer, verdrossen über die Gleichgültigkeit des Chefs, sich zurückzog, kam Bourdoncle und rief fröhlich aus:
    »Diesmal haben wir die Million, wie?«
    Doch er bemerkte die fieberhafte Erregung Mourets und begriff. Helle Freude blitzte in seinen Augen auf, und nach kurzem Stillschweigen sagte er:
    »Sie haben sich endlich entschlossen? Mein Gott, Sie haben recht.«
    Da richtete sich Mouret plötzlich vor ihm auf und rief:
    »Sie triumphieren zu früh, mein Lieber! Sie meinen, ich sei am Ende! Nehmen Sie sich in acht! Ich lasse mich nicht so leicht auffressen!«
    Aus der Fassung gebracht durch den heftigen Angriff dieses verteufelten Menschen, der alles erriet, stammelte Bourdoncle:
    »Sie scherzen … Ich, der ich so voller Bewunderung für Sie bin!«
    »Lügen Sie nicht!« rief Mouret noch heftiger. »Hören Sie, wir waren dumm mit unserem Aberglauben, daß die Ehe uns zugrunde richte. Ist die Ehe nicht das einzig Gesunde, die Kraft und die Ordnung des Lebens selbst? Nun ja, ich werde sie heiraten, und wenn ihr euch zu widersetzen wagt, werfe ich euch alle hinaus, Sie zuallererst, Bourdoncle!«
    Er verabschiedete ihn mit einem Wink. Bourdoncle fühlte seine Niederlage, er war besiegt – besiegt von einer Frau. Er entfernte sich eben in dem Augenblick, als Denise eintrat. Mit einer tiefen Verbeugung grüßte er sie.
    »Endlich sind Sie da«, sagte Mouret sanft.
    Denise war blaß und erregt. Eben hatte sie wieder einen Kummer gehabt. Deloche hatte ihr seine Entlassung mitgeteilt. Sie versuchte ihn zurückzuhalten und bot an, bei der Geschäftsleitung eine Fürbitte für ihn zu tun. Allein er lehnte ab; er wolle lieber verschwinden, sagte er. Wozu sollte er auch glücklichen Leuten im Weg stehen? Sie hatte unter Tränen von ihm Abschied genommen. Suchte sie nicht auch das Vergessen? Alles sollte zu Ende gehen, und sie wünschte nichts als die Kraft und den Mut zur Trennung. Wenn sie stark genug war, ihrem Herzen Schweigen zu gebieten, würde sie binnen weniger Minuten gehen können, um ihren Tränen in der Abgeschiedenheit freien Lauf zu lassen.
    »Sie wollten mich sehen«, sagte sie beim Eintreten; »ich wäre übrigens ohnedies gekommen, um Ihnen für alle Güte zu danken.«
    Sie hatte die Million bemerkt, die sich auf dem Schreibtisch ausbreitete, und der Anblick dieses Geldes verletzte sie. Ihr gegenüber an der Wand hing das Porträt von Frau Hédouin; es war, als wollte sie aus ihrem goldenen Rahmen herab mit ihrem ewigen Lächeln auf den Lippen die Szene mit ansehen.
    »Sie sind noch immer entschlossen, uns zu verlassen?« fragte Mouret mit unsicherer Stimme.
    »Ja, es muß sein.«
    Da ergriff er ihre Hände und rief in einem Ausbruch von Zärtlichkeit:
    »Und wenn ich Sie heiratete, Denise, gingen Sie auch dann noch fort?«
    Sie zog hastig ihre Hände zurück und wehrte voller Schmerz ab.
    »Ach, Herr Mouret, schweigen Sie bitte! Quälen Sie mich nicht mehr! … Ich kann nicht! Gott ist mein Zeuge, daß ich nur gehe, um einem solchen Unglück vorzubeugen.«
    Sie fuhr fort, sich in hastigen, abgebrochenen Worten zu wehren. Hatte sie nicht schon genug gelitten unter den ewigen Tratschereien des ganzen Hauses? Nein, nein! Sie besaß Kraft genug, um ihn von einer solchen Torheit zurückzuhalten. Von Seelenqual gepeinigt, hörte er ihr zu und wiederholte immer wieder:
    »Ich will es aber, ich will es!«
    »Nein, es ist unmöglich! … Und meine Brüder? Ich habe mir geschworen, nicht zu heiraten; ich kann Ihnen doch nicht zwei Kinder ins Haus bringen.«
    »Sie werden auch meine Brüder sein! Sagen Sie ja, Denise!«
    »Nein, nein! Lassen Sie mich! Sie quälen mich!«
    Dieser Widerstand bis zuletzt machte ihn fast rasend. Was, selbst um diesen Preis weigerte sie sich noch? Aus der Ferne hörte er das geschäftige Treiben seiner dreitausend Angestellten, die mit vollen Händen in seinem königlichen Reichtum wühlten. Und die lächerliche Million vor ihm –
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