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Das Paradies der Damen - 11

Das Paradies der Damen - 11

Titel: Das Paradies der Damen - 11
Autoren: Émile Zola
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erschöpften, sooft sie auftauchte. Heute wirkte sie sehr heiter. Als Favier sie zur Kasse gebracht hatte und zurückkam, tauschte er mit Hutin seine Bemerkungen aus.
    »Vielleicht will sie wieder heiraten.«
    »Ist sie denn Witwe?« fragte der andere.
    »Ich weiß es nicht; aber Sie erinnern sich doch, daß sie einmal in Trauer war … Vielleicht hat sie auch an der Börse gewonnen. Sie hat ganz schön eingekauft.«
    Hutin war indessen nicht recht bei der Sache. Er hatte zwei Tage zuvor eine lebhafte Auseinandersetzung mit der Geschäftsleitung gehabt und fühlte, daß es aus war mit ihm. Nach dem großen Sonderverkauf würde er sicherlich entlassen werden. Favier hatte bereits die Zusage, an seiner Stelle zum Abteilungsleiter ernannt zu werden. Anstatt ihn aber zu ohrfeigen, war Hutin sogar von einer gewissen Achtung für diesen gefühlskalten Burschen erfüllt, dem es gelungen war, ihn aus dem Sattel zu heben.
    »Übrigens«, sagte Favier, »Sie wissen doch, daß sie bleibt? … Der Chef ist wieder viel vergnügter.«
    Er sprach von Denise. Das Getratsche pflanzte sich fort von Abteilung zu Abteilung.
    »Verflucht!« rief Hutin. »Ich war doch recht dumm, daß ich nicht mit ihr geschlafen habe! Heute wäre ich ein gemachter Mann!«
    Als er Favier unverhohlen feixen sah, errötete er und versuchte gleichfalls zu lachen. Um den Eindruck seiner Bemerkung zu verwischen, erging er sich in gehässigen Klagen und behauptete, dieses Geschöpf habe seine Stellung untergraben. Dann trat plötzlich ein Lächeln auf seine Lippen; er sah Frau Guibal und Frau Desforges in der Abteilung erscheinen.
    »Haben Sie Wünsche, gnädige Frau?« fragte er.
    »Nein«, erwiderte Henriette. »Wie Sie sehen, gehe ich hier spazieren. Ich bin nur aus Neugierde gekommen.«
    Als er sie immerhin zum Stehen gebracht hatte, dämpfte er die Stimme; ein ganzer Plan keimte in ihm auf. Er schmeichelte ihr, hechelte das Haus durch; er habe genug, sagte er, er wolle lieber gehen als solche Ungehörigkeiten länger mitmachen. Sie lauschte entzückt. In dem Glauben, ihn dem »Paradies der Damen« abspenstig zu machen, erbot sie sich, ihm die Stelle des Leiters in der Seidenabteilung bei Bouthemont zu verschaffen, sobald die »Vier Jahreszeiten« wieder eröffnet würden. Die Angelegenheit wurde abgemacht, sie flüsterten leise miteinander, während Frau Guibal aufmerksam die Dekorationen betrachtete.
    »Darf ich Ihnen ein paar Veilchen anbieten?« fragte er schließlich laut und zeigte auf mehrere Sträußchen, die er sich von einer Kasse geholt hatte.
    »O nein, danke!« rief Henriette abwehrend. »Ich will mit dieser Hochzeit nichts zu tun haben.«
    Sie begriffen einander und trennten sich mit verständnisinnigen Blicken.
    Als Henriette sich jetzt nach Frau Guibal umsah, fand sie sie zu ihrer Überraschung in Gesellschaft von Frau Marty. Diese jagte, gefolgt von ihrer Tochter Valentine, seit zwei Stunden durch alle Abteilungen, gequält von einem jener fürchterlichen Anfälle von Verschwendungssucht, aus denen sie stets völlig gebrochen hervorging. Am meisten hatten es ihr immer die neuen Abteilungen angetan. So hatte sie sich heute fast eine Stunde bei den Putzwaren aufgehalten, die in einem neuen Raum im ersten Stockwerk untergebracht waren. Sie drängte sich an sämtliche Tische, ließ sich alle Schränke ausräumen, nahm die Hüte von den Gestellen und probierte sie der Reihe nach sich und ihrer Tochter auf. Dann war sie in die Schuhabteilung hinabgestiegen, die in einer Ecke des Erdgeschosses hinter den Krawatten lag. Auch dies war eine Neueröffnung. Sie durchstöberte alle Fächer, gequält von einem krankhaften Verlangen nach einem Paar mit Schwanenflaum besetzter Pantoffeln aus weißer Seide und nach weißen Atlasstiefelchen.
    »Oh, meine Liebe«, stammelte sie, »Sie glauben gar nicht … Hüte gibt es da! Ich habe einen für mich und einen für meine Tochter genommen. Und erst die Schuhe! Wunderbar!«
    »Unerhört!« fügte das junge Mädchen im Ton einer erfahrenen Frau hinzu. »Stiefelchen für zwanzig Franken fünfzig!«
    Ein Angestellter schleppte den unvermeidlichen Stapel an Waren hinter ihnen her.
    »Und wie geht es Herrn Marty?« fragte Frau Desforges.
    »Nicht schlecht, glaube ich«, erwiderte Frau Marty, verblüfft durch diese unerwartete Frage, die sich angesichts ihrer Verschwendungssucht sehr boshaft ausnahm. Doch sie ließ das Thema gleich wieder fallen und brach in einen Ausruf des Entzückens aus.
    »Schauen Sie, ist das
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