Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Paradies der Damen - 11

Das Paradies der Damen - 11

Titel: Das Paradies der Damen - 11
Autoren: Émile Zola
Vom Netzwerk:
nicht himmlisch!«
    Die Damen befanden sich vor der Abteilung für Blumen und Federn, die im Mittelbau zwischen der Seiden- und der Handschuhabteilung untergebracht war. Unter dem hellen Licht des Glasdaches war eine phantastische Blütenpracht entfaltet, eine weiße Garbe, hoch und ausladend wie eine Eiche. Es begann unten mit kleinen Sträußen von Veilchen, Maiglöckchen, Hyazinthen und Margeriten, allem zarten Weiß der Blumenbeete. Darüber erhoben sich üppigere Sträuße: weiße Rosen mit einem Stich ins Fleischfarbene, riesige weiße Pfingstrosen mit einem zarten Hauch von Karmin, weiße Chrysanthemen, die wie eine gelbgestirnte Wolke emporstiegen. Immer höher, immer weiter verbreitete sich die Blütenpracht: majestätische Lilien, ganze Apfelblütenzweige, duftender Flieder, auf der Höhe des ersten Stockwerks überragt von üppigen Büscheln von Straußenfedern und anderen weißen Federn. Etwas abseits waren Arrangements aus Orangenblüten ausgestellt. Dann gab es Metallblumen, Disteln und Ähren aus Silber. Und in dem Gewirr der Zweige und Blüten schienen die seltensten kleinen Vögel zu nisten: ein exotischer Hutschmuck in allen Farben des Regenbogens.
    »Ich kaufe einen Apfelblütenzweig«, erklärte Frau Marty.
    »Prächtig, nicht wahr? Und dieser kleine Vogel! Schau nur, Valentine! Den nehme ich mit …«
    Frau Guibal, eingekeilt in der wogenden Menge, begann sich zu langweilen.
    »Wir überlassen Sie Ihren Einkäufen und gehen hinauf«, sagte sie zu Frau Marty.
    »Nein, warten Sie!« rief die andere, »ich gehe mit, da oben ist die Parfümerie, da muß ich hin!«
    Diese Abteilung war erst tags zuvor eingerichtet worden und lag neben dem Leseraum. Um das Gedränge auf den Treppen zu vermeiden, machte Frau Desforges den Vorschlag, sie sollten die Aufzüge benutzen. Allein der Andrang war auch hier so groß, daß sie darauf verzichten mußten. Endlich gelangten sie hinauf; sie kamen am Erfrischungsraum vorbei, wo ein solches Gewühl herrschte, daß ein Inspektor den Auftrag erhalten hatte, die gefräßige Menge nur in kleinen Gruppen hineinzulassen. Schon hier verspürten die Damen die Nähe der Parfümerie; es war wie der durchdringende Duft eines Riechkissens, der das ganze Stockwerk erfüllte. Auf den mit Glas abgedeckten Tischen und den Kristallplatten der Etageren waren in langen Reihen Döschen und Flaschen mit Cremes, Puder, wohlriechenden Ölen und Essenzen aufgestellt, während die Bürsten, Kämme und Scheren ein besonderes Regal einnahmen. Das allgemeine Entzücken galt einem in der Mitte angebrachten silbernen Springbrunnen, aus dem ein Strahl von Nelkenessenz aufstieg, der mit melodischem Geplätscher in das Metallbecken zurückfiel. Ein köstlicher Duft verbreitete sich ringsumher, und die Damen netzten im Vorübergehen ihre Taschentücher mit der duftenden Flüssigkeit.
    »Jetzt stehe ich zu Ihrer Verfügung«, sagte Frau Marty, nachdem sie sich mit Essenzen, Cremes und Zahnpasta beladen hatte, »ich bin fertig. Wir wollen nach Frau von Boves sehen.« Doch die japanische Abteilung auf dem Absatz der großen Haupttreppe hielt sie wieder fest. Dieser Zweig hatte sich bedeutend vergrößert seit dem Tag, da Mouret sich den Spaß gemacht hatte, an dieser Stelle einen kleinen Verkaufsstand für allerlei Kleinkram einzurichten, ohne zu ahnen, welchen enormen Erfolg die Sache haben würde. Mittlerweile gab es hier schon alte Bronzen, Elfenbein- und Lackholzgegenstände zu kaufen. Die Abteilung hatte einen jährlichen Umsatz von anderthalb Millionen Franken; ihre Einkäufer durchstöberten den ganzen Orient bis in die entferntesten Winkel, plünderten Tempel und Paläste. Vier Jahre hatten Mouret auf diesem Gebiet genügt, um den Antiquitätenhandel von ganz Paris an sich zu reißen. Überdies entstanden fortwährend neue Abteilungen. So hatte man im Dezember wieder zwei eröffnet, um die tote Zeit des Winterhalbjahrs zu überbrücken: eine Abteilung für Bücher und eine für Kinderspielzeug, die sicherlich ebenfalls aufblühen und wieder zwei Geschäftszweige vernichten würden.
    Obgleich sie sich vorgenommen hatte, nichts zu kaufen, ließ sich Frau Desforges bei den Japanwaren durch eine außerordentlich fein gearbeitete Elfenbeinschnitzerei verführen.
    »Schicken Sie mir das zur nächsten Kasse. Neunzig Franken ist der Preis, nicht wahr?«
    Da sie Frau Marty samt ihrer Tochter in einen Porzellankauf vertieft sah, rief sie ihr, Frau Guibal mit sich ziehend, zu:
    »Sie finden uns oben im
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher