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Das Paradies der Damen - 11

Das Paradies der Damen - 11

Titel: Das Paradies der Damen - 11
Autoren: Émile Zola
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den Ärmel Ihres Mantels gleiten ließen —«
    Sie unterbrach ihn entrüstet. Sie eine Diebin! Für wen hielt er sie denn? Sie war die Gräfin von Boves, ihr Gatte hoch angesehen bei Hofe!
    »Ich weiß, ich weiß, gnädige Frau«, sagte Bourdoncle ruhig.
    »Ich habe die Ehre, Sie zu kennen … Aber geben Sie vor allem die Spitzen zurück, die Sie bei sich haben …«
    Sie wehrte sich noch immer, spielte die große Dame, weinte und tobte. Jeder andere wäre wankend geworden und hätte befürdhtet, es könne ein bedauerlicher Irrtum geschehen sein.
    »Nehmen Sie sich in acht!« schrie sie. »Mein Mann wird Ihr Haus zu Fall bringen; er wird Rache nehmen; er wird, wenn nötig, bis zum Minister gehen!«
    »Sie sind nicht vernünftiger als die anderen, gnädige Frau. Gut: dann wird man Sie eben durchsuchen.«
    Sie gab noch immer nicht nach, sondern sagte mit vernichtender Ruhe:
    »Bitte, lassen Sie mich durchsuchen. Aber Sie setzen Ihre Firma aufs Spiel, ich mache Sie darauf aufmerksam.«
    Jouve holte zwei Verkäuferinnen aus der Korsettabteilung. Die beiden Männer zogen sich in ein Zimmer nebenan zurück, während die beiden Mädchen die Gräfin entkleideten. Außer den Alençonspitzen — zwölf Meter zu je tausend Franken —, die sich im Ärmel ihres Mantels fanden, wurden in ihrem Ausschnitt noch ein Taschentuch, ein Fächer und eine Krawatte entdeckt, alles in allem Spitzen im ungefähren Wert von vierzehntausend Franken. So stahl Frau von Boves schon seit einem Jahr, das Opfer einer wahnwitzigen, unwiderstehlichen Begierde. Sie stahl nicht nur Waren in den Geschäften, sie stahl auch ihrem Gatten das Geld aus der Tasche; sie stahl, um zu stehlen, triebhaft und hemmungslos.
    »Das ist eine niederträchtig gelegte Falle!« schrie sie, als Bourdoncle und Jouve zurückkehrten. »Man hat mir die Spitzen zugesteckt. Ich schwöre es bei Gott!«
    Sie war auf einen Sessel hingesunken und weinte Tränen der Wut. Bourdoncle schickte die Verkäuferinnen hinaus; dann sagte er gelassen:
    »Gnädige Frau, aus Rücksicht auf Ihre Familie wollen wir diesen bedauerlichen Vorfall unterdrücken. Aber vorher werden Sie uns eine kurze Erklärung schreiben, nur den einen Satz: ›Ich habe im »Paradies der Damen« Spitzen gestohlen.‹ Und das heutige Datum. An dem Tag, da Sie mir zweitausend Franken für wohltätige Zwecke bringen, erhalten Sie diese Erklärung zurück.«
    »Niemals werde ich so etwas schreiben, lieber sterbe ich!« schrie sie in einer neuen Aufwallung von Zorn und Entrüstung.
    »Sie werden nicht sterben, gnädige Frau, sondern ich werde den Polizeikommissar holen lassen.«
    Nun gab es eine greuliche Szene. Sie beschimpfte ihn und schrie, es sei niederträchtig, daß Männer eine Frau so quälten. Ihre junonische Schönheit, ihr imposantes, majestätisches Auftreten verlor sich im Wutausbruch eines Fischweibes. Dann versuchte sie, die beiden Männer zu rühren, bat sie im Namen ihrer Mütter, wollte sich ihnen zu Füßen werfen. Da sie, an solche Szenen gewöhnt, unerbittlich blieben, setzte sie sich plötzlich zurecht, ergriff die Feder und stellte mit fieberhaft zitternder Hand die geforderte Erklärung aus.
    »Da haben Sie, mein Herr! Ich weiche der Gewalt!«
    Bourdoncle nahm das Papier, faltete es sorgfältig zusammen und verschloß es in einem Schubfach, wobei er sagte:
    »Wie Sie sehen, gnädige Frau, befindet sich Ihre Erklärung in zahlreicher Gesellschaft; denn alle die Damen, die zuerst sterben wollen und hernach doch schreiben, was von ihnen verlangt wird, vergessen später, ihre Billetts abzuholen.«
    Sie brachte ihre Kleider in Ordnung und beachtete ihn nicht. Dann fragte sie kühl:
    »Ich kann wohl gehen?«
    Bourdoncle war bereits mit einer anderen Angelegenheit beschäftigt. Auf Jouves Bericht hin beschloß er, Deloche zu entlassen. Dieser Verkäufer war unfähig; er ließ sich fortwährend bestehlen und würde wohl von den Kunden niemals für voll angesehen werden.
    Frau von Boves wiederholte ihre Frage; da sie mit einem zustimmenden Kopfnicken entlassen wurde, warf sie nur noch einmal einen mörderischen Blick auf die beiden Männer und ging hinaus, die Tür geräuschvoll hinter sich zuschlagend.
    »Ihr Gauner!« murmelte sie dabei.
    Blanche hatte inzwischen vor der Tür des Arbeitszimmers ausgeharrt. Da sie nicht wußte, was drinnen vorging, und den Inspektor und die Verkäuferinnen kommen und gehen sah, war sie tief bestürzt; sie dachte schon an Polizei, an Gericht, an Gefängnis. Um ihren
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