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Das Paradies am Fluss

Das Paradies am Fluss

Titel: Das Paradies am Fluss
Autoren: Marcia Willett
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J.
    Tränen steigen ihr in die Augen und fließen über. Sie fragt sich, ob Jess weiß, wie schwer es ihr gefallen ist, sich von diesem anderen kleinen Bild zu trennen, das auf so merkwürdige Art in ihren Besitz gelangt war. Irgendwie erschien es ihr richtig, es als Zeichen für die Zukunft an Jess weiterzugeben. Jetzt hat Jess sich dafür revanchiert.
    Kate lehnt das Bild an einen blauen Keramiktopf mit Hyazinthenzwiebeln und schaut es noch einmal an. Vermutlich hat Jess die Szene von Freddys Cottage auf der anderen Seite des Tamar aus skizziert und sie dann mit den Geistern aus der Vergangenheit, von denen man ihr erzählt hat, bevölkert. Sie ist in die Geschichte hineingetreten und hat sie sich zu eigen gemacht, und jetzt wird sie ein Teil davon sein: ein Glied in der Kette, die Vergangenheit und Zukunft verbindet.
    Kate hebt ihren Becher zu einem Toast auf Jess’ Zukunft und ihre eigene. Sie trinkt den Tee und greift dann zum Telefon. Bruno nimmt sehr schnell ab.
    »War der Gottesdienst schön?«, fragt er. »Und in der Luft hing ein starker Duft nach Weihrauch, alten Gesangbüchern und kleinen Jungen?«
    Sie lacht. »Heutzutage auch kleinen Mädchen«, sagt sie. »Und die Lieder werden inzwischen fotokopiert.«
    »Aha«, meint Bruno. »Meine Schulzeit liegt ja auch lange zurück. Ich hatte mich gefragt, ob du vielleicht zu Cass und Tom gehst. Für dieses Wochenende werden neue Schneefälle vorausgesagt.«
    »Ich weiß«, gibt sie zurück.
    Sie nimmt das Bild zur Hand und betrachtet es. Dabei denkt sie an Cass und Tom, die das Pfarrhaus weihnachtlich schmücken, an Jess und Will in dem Segelloft am Tamar und an Guy und Gemma und die Zwillinge.
    »Hast du dich entschieden, Kate?«, fragt Bruno.
    »Ja«, antwortet sie. »Ich habe meinen Entschluss gefasst. Sag Rafe, er soll den Land Rover bereithalten, Bruno. Ich komme morgen nach Hause.«

Tamar
    In der Nacht vor Johnnies Geburtstag schneit es stark, aber der Tag zieht klar und hell herauf. Die Sonne geht auf, überzieht die eisigen weißen Felder mit einem Schleier aus Rottönen und schickt ihr Licht in das bewaldete Tal. Die Straßen sind gesperrt, an den Flughäfen herrscht Chaos.
    »Wir werden unter uns sein«, sagt Sophie beim Frühstück, nachdem Johnnie mit Popps nach draußen gegangen ist. »Fred kommt mit seinem kleinen Motorboot über den Fluss, doch sonst wird niemand durchkommen. Nach dem Stand der Gezeiten schafft er es erst zum Tee. Aber was soll’s? Wir machen eben das Beste daraus.«
    »Wir könnten doch Grandos Geburtstag trotzdem im Seegarten feiern, oder?«, bettelt Will, der mit gutem Appetit Eier mit Speck isst. »Das würde ihm sicher gefallen.«
    Jess sieht sehnsüchtig aus dem Fenster. »Das wäre ein Spaß.«
    Sophie zögert, denn sie sorgt sich um das Wohlergehen des jüngsten und des ältesten Familienmitglieds.
    »Ich weiß, dass die Temperaturen unter null liegen«, meint Oliver, »aber die Sonne wird den Sommerpavillon wärmen. Wir könnten zusätzlich Heizstrahler hineinstellen …«
    »Und die bunten Lichterketten aufhängen wie im Sommer«, fällt Will eifrig ein.
    »Warum eigentlich nicht?«, lenkt Sophie ein. »Wenn die Sonne den ganzen Tag scheint, könnte es im Sommerpavillon ganz angenehm werden. Allerdings wird es bis zur Teezeit fast dunkel sein.«
    »Aber deswegen wird es ja so lustig«, sagt Will. »Und dafür brauchen wir die Lichter.«
    »Gut, in Ordnung. Tee im Sommerpavillon, und dann, wenn wir den Kuchen angeschnitten haben und Johnnie seine Geschenke ausgepackt hat, stoßen wir mit Sekt und Orangensaft auf Grandos Gesundheit an.«
    »Cool!«, meint Will zufrieden. Er befindet sich in diesem gewissen Zustand freudiger Erregung, in dem er den Eindruck hat, dass niemand ihm etwas abschlagen kann. Jess ist seine Verwandte und außerdem Künstlerin – er hat sie gegoogelt, und das, was er gelesen hat, hat ihn tief beeindruckt –, und die beiden haben das Segelloft in eine richtige Höhle verwandelt. Sie bringt ihm Zeichnen und Malen bei, und er hat Grando zum Geburtstag ein richtig gutes kleines Bild von der Alice gemalt. Er strahlt vor vollkommener Freude und tunkt mit einem Stück Toast das Eigelb von seinem Teller auf.
    »Und du«, sagt Sophie zu Oliver, »bist aus einer unüberschaubaren Zahl von Bewerben ausgewählt worden, um die Lichterketten aufzuhängen.«
    »Ich kriege immer die guten Jobs«, meint Oliver resigniert und greift nach seinem Kaffee. »Verhalten die sich auch wie elektrische
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