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Das Orakel von Theran

Das Orakel von Theran

Titel: Das Orakel von Theran
Autoren: Ernst Vlcek
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würden sich in die Vulkanhölle verirren, der er gerade erst entronnen war, und dort ihr Grab finden. Vielen würde die trockene Geröllwüste oder die angrenzende Sandwüste zum Verhängnis werden. Wie viele würden verdursten, verhungern oder auf der Straße des Bösen umkommen? Mythor wollte nicht daran denken.
    Er überwand sich dazu, in das rauchende Lager hinunterzureiten. Vielleicht gab es einen Überlebenden, dem er helfen konnte. Er besaß einen Batzen des Harzes vom Baum des Lebens, der eine so wunderbare Heilwirkung hatte, dass er vom Tode Gezeichnete ins Leben zurückbringen konnte.
    Als Mythor sicher sein konnte, dass in keinem der Flüchtlinge mehr Leben war, verließ er schleunigst die Stätte des Grauens. Er wollte Pandor zur Eile antreiben, um zur Straße des Bösen zu gelangen und ihr in den Süden zu folgen, bis zu jener Stelle, wo er einst von den Marn aufgefunden worden war.
    Doch da entdeckte er am Rand der Kampfstätte, wo der Wüstensand nicht aufgewühlt war, einige seltsame Spuren, die ihn veranlassten, das Einhorn anzuhalten. Er beugte sich aus dem leonitischen Königssattel, um diese Spuren genauer in Augenschein zu nehmen. Sie stammten weder von Menschen noch von Pferden, sondern sahen aus, als seien sie von großen Krallen hinterlassen worden.
    Es gab viele solcher Krallenspuren. Sie trafen aus südlicher Richtung am Lagerplatz der Flüchtlinge ein, führten um diesen herum und kreuz und quer durch diesen hindurch. An anderer Stelle führten sie wieder in südliche Richtung fort.
    Mythor überlegte kurz, ob er den Spuren folgen sollte, wusste dafür aber keinen zwingenden Grund. Nichts konnte dieses Unrecht ungeschehen machen, und das Verlangen nach Sühne und Rache war nicht schwerwiegend genug, um sich in ein solches Abenteuer zu stürzen. Es gab mindestens dreißig verschiedene Krallenspuren.
    Was mochten das für Tiere sein, deren Krallen über eine Elle maßen und deren Schritt weit Übermannslang war?
    »Pandor! Nach Osten!« befahl er seinem Einhorn und unterstrich seine Worte durch den Druck seiner Schenkel.
    Pandor verstand und galoppierte in die Richtung, wo sich das dunkle Band durch die Wüste zog, das die Churkuuhl-Yarls auf ihrem Marsch nach Norden hinterlassen hatten. Mythor hatte damals auf den Rücken der Yarls diesen langen Weg mitgemacht, aber er hätte nicht einmal im Traum daran gedacht, dass er eines Tages diese Spur zu seinem Ursprung zurückverfolgen würde. Und hätte ihm ein Weiser der Marn prophezeit, dass die Yarls eine Saat des Bösen hinterließen, aus der einmal Dämonenpflanzen und unheimliches Getier hervorgehen würden, er hätte es nicht geglaubt.
    Und doch war es so: Die Spur, die die Churkuuhl-Yarls hinterließen, war zu einer Straße des Bösen geworden, die an jeder Stelle andere Schrecken für jenen bereithielt, der sie betrat. Mythor hatte einige davon kennengelernt.
    Hier, in der Sandwüste von Salamos, bot sich die Yarl-Linie jedoch als schwarzes, unbelebtes und trostloses Band dar. Mythor konnte weder Pflanzen noch irgendwelches Getier auf dem wie geschmolzen und verbrannt daliegenden Sandstreifen entdecken. Er hütete sich dennoch davor, auf dieser Straße zu reiten, denn aus eigener Erfahrung wusste er, dass es auch unsichtbare Schrecken auf ihr gab. So ritt er an ihr in südlicher Richtung entlang.
    Mythor fühlte sich niedergeschlagen, und Hoffnungslosigkeit stieg in ihm auf. Die Ereignisse am Baum des Lebens, die trotz allem ein gutes Ende genommen hatten und für die nächste Zukunft eine günstige Entwicklung versprachen, verblassten gegenüber den Schreckensbildern, die Mythor jüngst zu sehen bekommen hatte.
    In solchen Momenten hatte er früher das Pergament mit dem Frauenbildnis hervorgeholt, das Fronja darstellte. Die Ausstrahlung des so lebendig wirkenden Bildes hatte ihm stets Mut gemacht.
    Doch das war ihm nun nicht mehr möglich. Er trug Fronjas Bild jetzt als Tätowierung an seinem Körper; deshalb fiel es ihm schwerer, sich in ihren Anblick zu vertiefen. Mythor konnte sich noch so anstrengen und verrenken, es war ihm unmöglich, Fronjas Bild auf seiner Brust voll auszukosten.
    Die Sonne wanderte über den Himmel dem westlichen Rand der Welt zu. In der salamitischen Wüste hatte die Sonne trotz der Winterzeit mehr Kraft als in Tainnia. Nur in den Nächten wurde es sehr kalt. Aber wer die Kälte zur Wintersonnenwende kennengelernt hatte, dem konnten auch die Wüstennächte nichts anhaben.
    Eine Wolkenwand verdunkelte die Sonne
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