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Das Orakel von Theran

Das Orakel von Theran

Titel: Das Orakel von Theran
Autoren: Ernst Vlcek
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sich auf die Suche, berauscht von den Lebenssendungen, die auf es einströmten und es stärker und stärker machten, bis es schier zum Bersten prall war.
    Aber obwohl unzählige solcher Körper zur Verfügung standen, fand Etwas nicht den richtigen. Es wurde immer wählerischer und stellte von Mal zu Mal höhere Ansprüche, während es gleichzeitig von dem Wunsch verzehrt wurde, raschest jemand zu werden.
    Endlich glaubte Etwas, ein geeignetes Opfer gefunden zu haben. Doch der Träger des auserwählten Körpers war ein gar widerspenstiger Geist, ein Kämpfer und ein Denker, der sich mit den anderen nicht in einem Atemzug nennen ließ.
    Und da wusste Etwas, dass es dieser und kein anderer sein musste. Etwas strebte einzig und allein diesem Ziel zu. Es kam ihm nahe und immer näher. Doch als es zuschlagen und die Geistesbrücke überwinden wollte, die von der Schwärze in dieses andere Reich geschlagen worden war, da brach die Verbindung auf einmal zusammen.
    Etwas empfing keine Sendungen mehr, die vor Leben pulsierenden Bilder verblassten allmählich – die Schlacht war geschlagen, der Sturm ebbte ab… Etwas stürzte in die Abgründe des Schattenreichs zurück und musste von seinem auserwählten Opfer ablassen, das zum Greifen nahe gewesen war, nun jedoch fern und immer ferner lag.
    Doch Etwas ließ nicht locker. Es kannte nun den Geschmack des Lebens und kam nicht mehr davon los. Es wollte sich nicht mit der Erinnerung zufriedengeben, sondern wollte den Kelch, von dem es gekostet hatte, in vollen Zügen genießen.
    Etwas war nun stark genug, um sich zu behaupten. Es fiel nicht mehr ins Nichts zurück und konnte sich erfolgreich dagegen wehren, dass die Kerkermauern des Dunkels sich um es schlossen.
    Etwas blieb auf der Spur seines Opfers, stellte ihm unermüdlich nach und lauerte auf eine passende Gelegenheit, um sich aus der Dunkelheit auf dieses stürzen zu können.
    Es gab nun eine starke, wenn auch unsichtbare Verbindung zwischen dem Etwas aus dem Schattenreich und dem Jemand aus dem Reich des pulsierenden Lebens. Und Etwas erkannte, dass es seine Bestimmung war, diesen Jemand zubezwingen.
    *
    Mythor bot sich ein grauenvoller Anblick, als er die Höhe der Sanddüne erreichte und von dort in die Senke hinunterblickte. Was er sah, traf ihn nicht völlig unerwartet. Der Rauch und die über diesem Gebiet kreisenden Totenvögel, die sich ausschließlich von Aas ernährten, hatten ihn vorgewarnt. Trotzdem verursachte ihm dieses Bild der Zerstörung und des Todes Übelkeit.
    Es mochten an die fünfzig Flüchtlinge aus dem Norden gewesen sein, die hier, in der Wüste von Salamos, ihr Lager aufgeschlagen hatten. Der Überfall musste des Nachts stattgefunden und die Flüchtlinge überrascht haben. Mythor erkannte das an verschiedenen untrüglichen Zeichen.
    Die Ochsen waren nicht vor die Wagen gespannt, sondern ihre von Lanzenstichen gezeichneten und von langen, rotgefiederten Pfeilen durchbohrten Kadaver lagen abseits. Einige der Flüchtlinge lagen noch wie im Schlaf da, aber der Wüstensand um sie war blutgetränkt und von dem Feuer rußgeschwärzt, das die Wegelagerer entzündet hatten.
    Offenbar hatten es die Angreifer nicht auf Beute abgesehen gehabt, denn sie hatten die Wagen mitsamt der Ladungen angezündet. In den halb verkohlten Überresten glosten noch einige Glutnester. Doch das störte die gefiederten und anderen Aasfresser nicht. Sie ließen sich nicht einmal von Mythors Anwesenheit in ihrem grausigen Mahl stören. Erst als Hark heulend ins Lager rannte, stob die Meute der wolfsähnlichen Vierbeiner erschrocken auseinander, erhoben sich die Totenvögel mit trägem Flügelschlag in die Lüfte.
    »Hark!« rief Mythor, und der Bitterwolf kam zurück. »Diese Tiere tun nichts Unrechtes, so ist eben ihre Natur. Die wirklich schändlich gehandelt haben, das waren Menschen.«
    Aber was waren das für Menschen! Caer? Nein, Mythor glaubte nicht, dass diese Vasallen der Dunklen Mächte bereits so tief in den Süden vorgedrungen waren. Die Caer würden noch lange damit beschäftigt sein, sich die nördlichen Länder zu unterwerfen. Erst wenn ganz Tainnia, Ugalos und vielleicht auch Dandamar fest in ihrer Hand waren, würden sie nach Süden blicken.
    Nach der Schlacht im Hochmoor von Dhuannin hatte eine wahre Völkerwanderung eingesetzt. Es waren unzählige, die vor den Caer und ihren Dämonenpriestern nach Salamos flohen. Aber wie vielen war es so oder ähnlich ergangen wie diesem Häufchen Bedauernswerter. Andere
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