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Das Orakel von Theran

Das Orakel von Theran

Titel: Das Orakel von Theran
Autoren: Ernst Vlcek
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Wasseroberfläche zum Kräuseln, und dennoch schien es auf einmal zu brodeln. Fronjas Bildnis zerbrach in viele Teile und verzerrte sich. Etwas Schwarzes tauchte im Wasser auf, reckte und streckte sich – und dann sprang es Mythor an.
    Mit einem Schrei wich er zurück. Etwas streifte wie mit messerscharfer Klinge sein Gesicht und verursachte ihm einen brennenden Schmerz, der sich von seinem Kopf bis tief in seine Brust ausbreitete und ihn zu durchbohren schien.
    Mythor wälzte sich über den Boden, schlug und trat um sich, bis endlich der flammende Schmerz nachließ. Dann lag er benommen da.
    Was war gerade passiert? War er wirklich von einem Schatten angefallen worden, der in diesem Wasserloch lauerte? Oder war alles nur ein böser Traum gewesen, den ihm seine von Hunger und Durst verwirrten Sinne vorgespielt hatten?
    Vorsichtig schob er sich zum Rand des kleinen Teiches vor, dessen Oberfläche sich wieder beruhigt hatte. Das Wasser war glatt und unbewegt, und nichts schien es in Unruhe versetzt zu haben.
    Gerade als Mythor den Kopf über das Ufer beugen wollte, bellte der Bitterwolf. Und ein Schatten fiel auf Mythor.
    Der Schatten kam jedoch nicht aus dem Wasser, wie Mythor zuerst geglaubt hatte, sondern von jemandem, der hinter ihm aufgetaucht war und sich vor die aufgehende Sonne schob.
    Mit einem unterdrückten Laut wirbelte Mythor herum und sah sich von einer großen Reiterschar umgeben. Es waren in wallende und sandfarbene Gewänder gehüllte Gestalten, die jedoch keine Pferde ritten.
    Sie saßen auf den Rücken von großen, gefiederten Tieren mit zwei langen Stelzbeinen, die im Vergleich zu den Körpern dünn wirkten.
    Obwohl Mythor gegen die Sonne nicht viele Einzelheiten erkennen konnte, fiel ihm sofort auf, dass die Beine dieser vogelähnlichen Reittiere in gefährlich wirkenden Krallen endeten.
    Sofort erinnerte er sich der Krallenspuren beim Lagerplatz der Flüchtlinge aus dem Norden.
    Er griff nach seinem Gläsernen Schwert. Aber noch ehe er es aus dem Gürtel ziehen konnte, war er von Vogelreitern umzingelt, und rotgefiederte Lanzenspitzen bedrohten ihn von allen Seiten. »Willst du sterben?« fragte einer der Reiter belustigt.
    Es war eine aussichtslose Lage. Mythor musste das einsehen, und so ließ er von seinem Schwert ab.
    Die Lanzen wurden zurückgezogen, und die seltsamen Reitvögel rückten auf Befehl ihrer Reiter von ihm ab. Sie taten es offenbar nur widerwillig und mit steifen, unruhig zuckenden Stelzenbeinen. Ihre Krallen vergruben sich im Boden.
    Mythor sah sich die Tiere nun genauer an. Obwohl sie einigen Abstand von ihm hielten, musste er hoch zu ihnen aufblicken. Ihre flaumgefiederten Köpfe an den geschwungenen, dicken Hälsen befanden sich in einer Höhe von über zweieinhalb Mannslängen. Die furchterregenden Schnäbel waren wie bei Geiern nach unten gebogen. Mythor konnte sich vorstellen, dass ein Mann mit einem einzigen Schnabelhieb getötet werden konnte. Diese Schnäbel hatten zudem noch eine Art Kriegsbemalung, was sie noch bedrohlicher erscheinen ließ.
    Einer der Vögel begann plötzlich zu kreischen, reckte den Hals nach vorne und versuchte, mit dem Schnabel nach Mythor zu hacken. Augenblicklich wurden auch die anderen Tiere von diesem Wutausbruch angesteckt und fielen in das Geschrei ein. Ihre muskulösen Hälse zuckten vor und zurück, ihre Schnäbel schnappten mit knöchernem Geräusch.
    Die Reiter hatten alle Mühe, ihre gefiederten Reittiere zu bändigen. Aber erst als sie ihnen kapuzenartige Hauben über die Köpfe stülpten, beruhigten sie sich. Ihre gesträubten Federn glätteten sich, das Zittern ihrer Körper hörte auf, und sie erstarrten zur Bewegungslosigkeit.
    »Liebeskralle gefallen die Augen dieses Jünglings nicht«, sagte einer der Reiter, der in zwei Mannslängen Höhe hinter dem Hals seines Tieres saß und im Vergleich zu diesem geradezu winzig aussah.
    »Kusswind wird von seiner Ausdünstung gereizt«, sagte ein anderer Reiter.
    Mythor musterte den Mann. Er trug einen Umhang mit Kapuze, der von der Farbe des Wüstensands war. Die Kapuze war ihm aus dem Gesicht gerutscht, so dass Mythor es betrachten konnte. Es hatte eine bräunliche Hautfarbe, die etwas dunkler war als die seine, und dunkle Augen. Die Stirn bedeckte ein rotes Band, darüber war schwarzes, kurz geschnittenes Haar zu sehen.
    Das tief über die Beine fallende Gewand des Mannes war in der Mitte mit einer ebenfalls roten Kordel gegürtet. Er hatte eine lange Lanze aufgepflanzt, an der ein
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