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Das Orakel von Theran

Das Orakel von Theran

Titel: Das Orakel von Theran
Autoren: Ernst Vlcek
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Wimpel wehte. Dieser zeigte einen roten Kreis mit Strahlenkranz.
    Zweifellos stellte er die Sonne dar. Über der Brust trug er einen breiten Ledergürtel mit Messern, was Mythor unwillkürlich an Steinmann Sadagar denken ließ.
    Am Sattel seines Reitvogels waren noch weitere Waffen befestigt: ein Langbogen und ein Köcher mit überlangen und rotgefiederten Pfeilen, wie Mythor sie schon in den Leichen der Flüchtlinge stecken gesehen hatte. Außerdem hatte der Vogelreiter noch ein kostbar wirkendes Krummschwert in einer geschmückten Lederscheide.
    Mythor kam zu der Ansicht, dass er einen Krieger vor sich hatte, mit dem nicht zu spaßen war. Er erwiderte stumm Mythors Blick, dabei spielte um seinen Mund ein kaltes Lächeln.
    »Bist du der Anführer?« fragte Mythor ihn. Er bekam keine Antwort und fuhr deshalb fort: »Wer seid ihr, dass ihr friedliche Wanderer überfallt und bedroht?«
    »Worüber beklagst du dich?« fragte der Angesprochene spöttisch. »Du solltest uns dankbar sein, dass wir dich nicht von unseren Orhaken zerfleischen ließen. Dein Anblick hat sie ganz wild gemacht.«
    »Und was macht euch wild?« erkundigte sich Mythor zornig. »Der Anblick harmloser Flüchtlinge? Macht euch das so wild, dass ihr sie im Schlaf niedermetzelt?«
    Der andere hob nur die Schultern zu diesem Vorwurf und fragte dann: »Wer bist du? Welchen Weg hast du? Was ist dein Ziel?«
    »Ich heiße Mythor und will zum Orakel von Theran«, antwortete Mythor. »Und wer seid ihr? Ich habe noch nie von Kriegern gehört, die Vögel statt Pferde reiten.«
    »Dein Reittier ist auch recht ungewöhnlich«, stellte der Vogelreiter fest. »Ich habe noch nie ein Pferd mit einem Horn auf der Stirn gesehen. Hat dieses Einhorn Vorzüge gegenüber normalen Pferden?«
    »Das Einhorn ist klüger, ausdauernder und schneller«, antwortete Mythor.
    »Wie schnell?« fragte der Vogelreiter lauernd. »Glaubst du, dass es sich mit einem Orhako messen kann?«
    »Das weiß ich nicht«, gestand Mythor. »Pandor wurde bisher noch nie von einem Laufvogel gefordert.«
    »Dann soll es jetzt geschehen«, sagte der Vogelreiter. »Dein Pandor soll zeigen, ob er es mit Kusswind aufnehmen kann.«
    Auf den Gesichtern der anderen Vogelreiter machte sich Belustigung breit, einige lachten wissend: Sie gaben einem Vierbeiner keine Chance gegen ein Orhako.
    »Ein Wettlauf also?« fragte Mythor in dem Bewusstsein, dass er sich davor nicht würde drücken können. »Einverstanden.«
    »Um den Preis deines Lebens«, sagte der Anführer der etwa fünfundzwanzig Vogelreiter, dessen Orhako Kusswind hieß, der seinen Namen aber noch nicht genannt hatte. Er wandte sich an seine Leute: »Macht Platz!«
    Die Vogelreiter ließen ihre Tiere rückwärts ausweichen, so dass ein schmaler Durchgang entstand. An dessen Ende sah Mythor Pandor. Das Einhorn stand mit erhobenem Kopf witternd da.
    »Besteige deinen Pandor!« befahl der Anführer.
    Mythor schritt durch die Gasse der Vogelreiter. Obwohl er wusste, dass er von ihnen und ihren Hauben tragenden Orhaken im Augenblick nichts zu befürchten hatte, beschlich ihn ein seltsames Gefühl. Er hätte gerne erfahren, woher diese Vogelreiter kamen und wann sie in dieses Land eingefallen waren.
    Mythor erinnerte sich nicht, während der Wanderung der Nomadenstadt Churkuuhl durch Salamos je einen dieser Vogelreiter gesehen zu haben.
    Er erreichte Pandor und schwang sich in den Königssattel. Als er zurückblickte, sah er, dass ihm der Anführer der Vogelreiter gefolgt war. Er hatte Kusswind die Haube abgenommen, dennoch blieb das Tier nun überraschend ruhig. Drei Krallenschritte vor Mythor hielt es an.
    »Du sollst erfahren, mit wem du es zu tun hast«, sagte der Anführer nun zu Mythor. »Ich heiße Hrobon. Außer diesen fünfundzwanzig Orhako-Reitern unterstehen mir noch fünf Diatro- und zehn Diromo-Reiter. Aber diese werden sich nicht einmischen.«
    »Das ist wirklich anständig – fünfundzwanzig gegen einen«, sagte Mythor. »Fünfundzwanzig satte Krieger auf ausgeruhten Tieren.«
    Hrobon griff wortlos hinter sich in die Satteltasche und warf Mythor etwas zu. Als dieser es auffing, erkannte er, dass es ein Stück gepökelten Fleisches war.
    »Ich will noch großzügiger sein«, sagte Hrobon anschließend. »Siehst du dort die Düne, die wie die Brust einer Frau geformt ist? Bis dorthin bekommst du einen Vorsprung. Erst wenn du diese Düne erreicht hast, nehmen wir die Verfolgung auf. Das Orakel von Theran liegt etwa einen Tagesritt von hier
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