Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Orakel des Todes

Das Orakel des Todes

Titel: Das Orakel des Todes
Autoren: John Maddox Roberts
Vom Netzwerk:
während die Männer meines Gefolges mich mit Argusaugen beobachteten.
    Eine Weile spielte ich mit dem Gedanken, den Becher einfach wegzuwerfen und auf der Stelle zu unserer Villa zurückzukehren. Aber, so überlegte ich, was sich hier abspielte, war nichts weiter als irgendein religiöses Affentheater und bestimmt keine Verschwörung mit dem Ziel, uns alle zu töten. Wen man schröpfen will, bringt man nicht um. Also schluckte ich angewidert das abscheuliche Gebräu herunter, und die anderen taten es mir nach. Erwartungsgemäß war es bitter, und ich war ziemlich sicher, zwischen all den Zutaten Wermutöl herauszuschmecken.
    Wir wurden mit Blättern behängt und bekränzt und bekamen Amulette umgehängt. Zum Glück wurden lediglich die Freigelassenen angewiesen, die Hundefellmützen aufzusetzen, was sie nur widerwillig akzeptierten. Vor allem Hermes sträubte sich sichtlich. Seitdem ich ihn freigelassen hatte, war er etwas arrogant geworden, deshalb tat ihm diese kleine Demütigung vielleicht ganz gut.
    Einer der immer noch schweigenden Priester oder Priesteranwärter, oder was auch immer sie waren, brachte eine brennende Fackel, woraufhin die anderen ebenfalls kleine Fackeln hervorzogen und sie an der brennenden Fackel entzündeten. Die Flammen züngelten leicht grünlich, ein beeindruckender Effekt, den ich aber kannte: Bestimmte Kupferpräparate erzeugen zusammen mit Brennholz und anderen brennbaren Substanzen grüne Flammen. Die schwarz gewandeten Priester gingen nacheinander durch den Höhleneingang, und wir folgten ihnen.
    Mein erster Eindruck war enttäuschend. Vor allem war es gar keine natürliche Höhle, sondern ein von Menschen gebauter Tunnel. Die Decke war so niedrig, dass die größeren Männer meines Gefolges die Köpfe einziehen mussten. Und der Gang war so schmal, dass sie mit den Schultern an den Wänden entlang schabten. Die Enge war ziemlich bedrückend, doch wie ich dem Gekicher hinter mir entnahm, schienen die jüngeren Männer und Frauen ihr durchaus etwas abgewinnen zu können. Möglicherweise trug der Rauch der Fackeln zu der ausgelassenen Stimmung der jungen Leute bei. Denn neben dem scharfen Kupfergeruch erkannte ich auch den Duft brennenden Hanfes. Ich hatte damit schon einmal in Ägypten Bekanntschaft gemacht, und Hanf ist bekannt für seine enthemmende Wirkung.
    Doch die alles verschluckende Finsternis zeigte ihre Wirkung, und das Gekicher verstummte bald. Alle paar Schritte waren kleine Nischen in die Wand gehauen, in denen jeweils die Flamme einer kleinen Lampe brannte. Allmählich gewöhnten sich meine Augen an die Dunkelheit, und in dem schwachen Licht der Lampen und Fackeln erkannte ich an den Wänden die Spuren von Werkzeugen. Jeder Fuß dieses Tunnels war aus dem massiven Fels herausgehauen worden, und je weiter wir den abfallenden Schacht hinab stiegen, desto beeindruckter war ich, wie viel Zeit und Arbeit das Vorantreiben dieses Tunnels gekostet haben musste. Angesichts der Enge konnte immer nur ein einzelner Mann den Fels bearbeitet haben, allenfalls zwei, wenn einer in der Hocke gearbeitet und der andere sich im Stehen über ihn gebeugt hatte. Doch wie auch immer - es war in jedem Fall eine äußerst ungewöhnliche Methode, einen Tunnel in die Tiefe zu treiben. Ein kleiner Trupp Minenarbeiter hätte in viel kürzerer Zeit einen deutlich breiteren Tunnel bauen können.
    Nun gut. Dieser Tunnel war eben schmal, aber er war mit größter Sorgfalt aus dem Fels geschlagen worden. Die Wände waren absolut senkrecht, der Boden wies keinerlei Unebenheiten auf und fiel gleichmäßig ab. Die Decke wirkte irgendwie geheimnisvoll; die Fackeln hatten sie im Laufe der Jahrhunderte mit einer dicken Rußschicht überzogen. Der ganze Tunnel wirkte eher, als wäre er von Ägyptern gebaut worden als von Italiern. Was natürlich nicht heißen soll, dass wir nicht auch etwas von Steinbearbeitung verstünden, wie zum Beispiel das wunderbare Mauerwerk unserer Cloaca Maxima beweist, die zu einer Zeit errichtet wurde, als in Rom noch Könige herrschten, und die noch immer in absolut einwandfreiem Zustand ist, so wie zur Zeit ihrer Erbauung. Für unsere Straßen und Aquädukte tragen wir ganze Hügel ab und treiben Tunnel durch Berge, aber diese Projekte sind sorgfältig geplant und dienen immer einem praktischen Zweck: der Erleichterung des Transports, der Herbeiführung von Wasser oder dem Abfluss von Abwasser aus der Stadt.
    Dieser Tunnel in die Unterwelt war etwas grundlegend anderes. Er war ein
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher