Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Orakel der Seherin

Das Orakel der Seherin

Titel: Das Orakel der Seherin
Autoren: Christopher Pike
Vom Netzwerk:
während er ein großes Stück Apfelkuchen aufspießt. Er hat die Krawatte abgenommen, die er während seines Vertrags getragen hat, ansonsten trägt er dieselben Sachen. Er wirkt entspannt – ein typischer Gelehrter, der sich darüber freut, den Vortrag, den er schon tausendmal gehalten hat, ein weiteres Mal erfolgreich hinter sich gebracht zu haben. Ich frage mich kurz, warum er die Schrift der Suzama überhaupt der Öffentlichkeit zugänglich macht. Viel Geld bringt es ihm wahrscheinlich nicht. An den Büchern wird er nicht viel verdienen, genau wie mit seinen Vorlesungen. Im Moment wirkt er so wie der nette Nachbar von nebenan.
    »Ich habe Suzamas Lehren studiert«, sage ich ernst. »Es war nicht gelogen, als ich behauptete, ein Manuskript von ihr zu besitzen.«
    Dr. Seter wirkt amüsiert. »Woher haben Sie dieses Manuskript?«
    »Woher haben Sie Ihre Schrift?« antworte ich mit einer Gegenfrage.
    »Ich habe vorhin bereits erklärt, warum ich darauf nicht antworten möchte.«
    »Ich zögere aus dem gleichen Grund«, entgegne ich.
    Er wendet sich wieder seinem Apfelkuchen zu. Er hält mich für ein nettes Mädchen, das ihm nichts Interessantes zu sagen hat.
    »Dann werden wir uns damit begnügen müssen, das Essen zu genießen«, erklärt er.
    Ich öffne sein Buch auf einer Seite, auf der ein Ausschnitt von Suzamas Schrift abgebildet ist, und weise auf das Foto, das Hieroglyphen auf altem Papyrus zeigt.
    »Vermutlich gibt es höchstens zwei Dutzend Leute auf der Welt, die das auf den ersten Blick lesen können«, sage ich. »Sie sind einer davon, und ich gehöre auch dazu. Hier steht: Das Geheimnis der Göttin liegt in der sechzehnten Ziffer des Mondes. Nicht des Mondes am Himmel, sondern des Mondes am Zenit. Hier findet der wahrhaftig Suchende den Nektar der Seligkeit. Nur an dieser Stelle wird das Wissen der Seele enthüllt.« Ich blicke ihn an. »Habe ich das richtig übersetzt?«
    Dr. Seter läßt vor Erstaunen beinah die Gabel fallen. »Woher wissen Sie das?
    Ich habe diese Zeilen in meinem Buch nicht übersetzt.«
    »Ich sagte Ihnen doch bereits, daß ich Suzamas Lehren studiert habe.
    »Woher wissen wir, daß nicht jemand anders das für Sie übersetzt hat?«
    »Weil ich Ihnen Informationen über einen Teil der Schrift geben kann, den Sie bisher verborgen gehalten haben. Beispielsweise kenne ich das aus vier Worten bestehende Mantra, das Suzama benutzte, um das über dem Kopf schwebende weiße Licht herabzubeschwören. Ich weiß, daß sich das erste Wort auf das Herz bezieht, das zweite auf die Kehle, das dritte auf den Kopf. Ich weiß, wie sich der Atem auf das Mantra einstellt und daß beim vierten Wort das göttliche weiße Licht der Isis hinab ins Herz des Menschen gebracht wird.«
    Dr. Seter starrt mich fassungslos an. »Wie lautet das aus vier Worten bestehende Mantra?«
    »Aus der Schrift wissen Sie, daß es nicht in der Öffentlichkeit genannt werden darf«, entgegne ich, »und nur zu bestimmter Zeit. Ich werde es folglich hier nicht sagen. Doch mittlerweile müßten Sie erkannt haben, daß ich einiges über die geheimen Meditationspraktiken Suzamas weiß. Daher sollte es Ihnen nicht schwerfallen, zu glauben, daß ich Zugang zu einer anderen Schrift von ihr habe.« Ich blicke ihn an. »Oder irre ich mich?«
    Dr. Seter betrachtet mich eindringlich. »Ohne Zweifel wissen Sie etwas.
    Natürlich wäre ich sehr daran interessiert, Ihre Schrift einzusehen.«
    »Dann müssen Sie mir vorher Ihre zeigen«, sage ich. »Ich werde in der Lage sein, zu entscheiden, ob sie authentisch ist oder nicht.«
    »Wie?« mischt sich James ein.
    Ich lächle ihn an. »Indem ich sie mit meiner vergleiche.«
    »Glauben Sie, daß Ihre Schrift mit meiner identisch ist?« fragt Dr. Seter.
    »Nein. In Ihrer Schrift steht etwas von einer Gefahr, in der sich der neue Meister befindet, während meine nichts davon erwähnt.« Und dann füge ich hinzu: »Übrigens haben Sie gelogen, als Sie behaupteten, daß die Art der Gefahr nicht genauer beschrieben werde.«
    Dr. Seter lehnt sich zurück. »Woher wissen Sie das?«
    »Das ist nicht wichtig.« Ich überlege. »Sagen Sie mir, wie diese Gefahr beschrieben wird.«
    »Ich fürchte, das ist nicht möglich«, erklärt James. »Nur enge Mitglieder unseres Kreises erhalten solche Informationen.«
    »Aha! Was ist der Zweck dieses Kreises, den Sie gebildet haben? Das Kind zu schützen, nachdem Sie es gefunden haben?« An ihrer Reaktion erkenne ich, daß ich ins Schwarze getroffen habe. »Ist
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher