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Das Obama-Syndrom - leere Versprechungen, Krisen und Kriege

Das Obama-Syndrom - leere Versprechungen, Krisen und Kriege

Titel: Das Obama-Syndrom - leere Versprechungen, Krisen und Kriege
Autoren: Tariq Ali
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anderen gejubelt zu haben. »Ich bin froh, dass dieser Mann, diese wie ein Schafhirte aus dem 13. Jahrhundert angezogene Fernsehfigur mit ihrer AK -47 aus der Requisite, tot ist. Ich bin froh, dass er tot ist. Ich bin froh, dass er tot ist.« Oft ist der Lack der Zivilisation nur sehr dünn. Vergleichen Sie damit das Unbehagen von William O’Connor, einem ehemaligen Feuerwehrmann in New York:
    Mein Herz brüllt: »Du Hurensohn, ruhe in Fetzen!« Doch als Vietnamveteran und als 62-Jähriger, der Leid und Tod aus nächster Nähe gesehen hat, ärgere ich mich über die Milchgesichter, die auf die Straßen strömen und »USA, USA« skandieren. Wenn man den Kaftan eines anderen Mannes anzieht, sieht man gleich: Was dem einen ein »Terrorist«, ist dem anderen ein »Patriot«.
    Was, wenn ein Iraker George W. Bush ermordet und »Endlich Rache!« gerufen hätte? Wenn die Leute in arabischen Ländern auf der Straße getanzt hätten? Wenn Muslime sich über unser Leid freuen, finden wir das widerwärtig. Und umgekehrt soll es okay sein? Diese Botschaft zumindest schicken wir an die arabische Welt.
    Wir sitzen nicht im Fußballstadion! Der unangebrachte Jubel verletzt die menschliche Würde und die inhärente Heiligkeit des menschlichen Lebens. Ich erinnere mich noch, wie wütend ich am 11. September 2001 über die Bilder aus Afghanistan war, wo Menschen auf der Straße tanzten. Nicht nur Kriegsteilnehmer und Feuerwehrleute haben Schreckliches miterlebt, aber Männer in Uniform sind sich schmerzlich bewusst, dass Opfer ein Gesicht haben, eine Geschichte, eine Vergangenheit. Zahlen können angepasst oder korrigiert werden, doch Menschen werden nicht wieder lebendig. Knochen brechen, Blut fließt, Gliedmaßen werden abgetrennt. Die Worte »Soldat stirbt« fließen leicht von den gut bezahlten Lippen eines Kommentators. Doch der Kamerad des Soldaten, der dessen Kopf zusammendrückte, damit das Hirn nicht in den Wüstensand tropfte, würde den Tod nicht so leichtfertig abtun. 100
    Im Triumphgeheul wurde vergessen, welch desaströse Ergebnisse der »Krieg gegen den Terror« daheim und weltweit gebracht hatte. Natürlich erwähnte niemand die Million »leerer Stühle an Familientischen« im Irak, wo Zahlen des aktuellen Regimes von fünf Millionen Waisen sprechen. Kein Wort des Bedauerns für sie oder die zwei Millionen vertriebenen Iraker. Auch die fast 2000 Zivilisten, die bei Drohnenangriffen in Pakistan ums Leben kamen, werden totgeschwiegen, ebenso die zivilen Opfer in Afghanistan – fast drei Mal so viele, wie am 11. September 2001 in Amerika umgekommen waren.
    Vernünftigere Stimmen in Militär und Wissenschaft ver suchen geduldig, mit dieser Sichtweise durchzudringen, doch vergeblich. Obama bewegt sich auf der gleichen imperialistischen Schiene wie seine Vorgänger. Im April 2009 mahnte der pensionierte Oberst Douglas Macgregor im Armed Forces Journal :
    Das Wichtigste ist, dass Präsident Obama künftig unnötige, aufwendige und offene Militärinterventionen vermeidet und nach Möglichkeit Konflikte verhindert …
    Die aktuelle Wirtschaftskrise ist zwar ernst, doch die größte Bedrohung der nationalen Sicherheit geht von Washingtons Neigung aus, mit amerikanischer Militärmacht an vielen Orten der Welt einzugreifen, an denen Washingtons Lösungen weder gebraucht werden noch durchsetzbar sind. Präsident Obama muss endlich umsteuern und systematische sowie methodische Änderungen in den Zielen der amerikanischen Militärstrategie vornehmen. Sowohl im Irak als auch in Afghanistan hat die amerikanische Invasion bereits zu schlimmen Folgen für die nationale Sicherheit geführt, nämlich
    * zur Ausweitung des iranischen Einflusses im Irak und der ganzen Region,
    * zur Erosion des prekären Zusammenhalts von Pakistan, mit gefährlichen Folgen für Zentral- und Südasien,
    * zu einer erhöhten Gefährdung Israels,
    * zu wachsendem Anti-Amerikanismus in der Welt und
    * zur Erosion der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit Amerikas.
    Zwei Jahre später stellte John Mearsheimer, einer der angesehensten Vertreter des Neorealismus in internationalen Beziehungen, einen Zusammenhang zwischen den Kriegen im Ausland und dem Angriff auf die Bürgerrechte daheim her:
    Seit 1989 führten die Vereinigten Staaten in erschreckenden zwei von drei Jahren irgendwo auf der Welt Krieg. Und es scheint kein Ende in Sicht. Dabei weiß jeder, der nur rudimentärstes Geschichtswissen hat, dass Länder, die sich ständig im Krieg befinden, ausnahmslos
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