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Das Obama-Syndrom - leere Versprechungen, Krisen und Kriege

Das Obama-Syndrom - leere Versprechungen, Krisen und Kriege

Titel: Das Obama-Syndrom - leere Versprechungen, Krisen und Kriege
Autoren: Tariq Ali
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hinterlassen.« Die kunstvoll geschriebene Rede übertraf alles, was Bush je zusammengebracht hätte, und gehört zu den besten Predigten Obamas. Wie gewohnt endete auch die Fernsehansprache mit einer Berufung auf Gott: »Vergessen wir nie, dass wir diese Dinge nicht deswegen tun können, weil wir reich oder mächtig sind, sondern weil wir sind, wer wir sind: eine unteilbare Nation, unter Gott, mit Freiheit und Gerechtigkeit für alle. Vielen Dank. Möge Gott Sie segnen. Und möge Gott die Vereinigten Staaten von Amerika segnen.«
    Und Gott tat es, wie er es oft tut. Schnell entschlossen warfen die Fernsehstationen der Welt ihr Programm um, ohne jedes Gefühl des Missbehagens, und schalteten von den Feierlichkeiten einer königlichen Hochzeit in Lon don zum Jubel über eine Tötungsmission in Pakistan. Die königliche Hochzeit sollte der englischen Monarchie ein frischeres Image verpassen – und Obama schuf sich ein neues Image, indem er Osama töten ließ. Wie auf Befehl strömten die Menschen in Washington und New York auf die Straße, um die Tat zu bejubeln. Staatsmänner aus Europa und aller Welt (darunter bizarrerweise auch der Premierminister Pakistans) riefen im Weißen Haus an und gratulierten.
    Nicht wenige Linke befürworteten Stil und Technik der Tötung in Abbotabad; sie schwärmten über die technischen Aspekte dieses großen Triumphs und insbesondere über die tolle Leistung der Navy- SEAL s. Gary Wills, emeritierter Geschichtsprofessor an der Northwestern University, der sich, wie oben beschrieben, ernsthafte Sorgen wegen Obamas miserabler Bilanz in Sachen Bürgerrechte machte, war von bin Ladens Hinrichtung wie elektrisiert. Seiner Ansicht nach zeigte der Vorfall, dass Obama in Sachen nationale Sicherheit kein Weichei war, wie die Rechte gerne behauptete. Man müsse zwar die »großartige Leistung der Navy SEAL s bewundern, dennoch sollten wir im Hinterkopf behalten, dass letztlich der Präsident der Vereinigten Staaten abgedrückt hat«. 97
    Maureen Dowd, die Obama in der New York Times oft kritisiert hatte, flötete hingerissen:
    Kein Wunder, dass die höchsten Generale den Präsidenten »Cool Hand Luke« nennen. Die Aktion in Echtzeit anzusehen wäre sicher ebenso dramatisch gewesen wie die Szene aus Der Pate , dem Lieblingsfilm des Präsidenten, als Michael Corleone ganz lässig als Pate bei der Taufe seines Neffen auftritt, während seine Gefolgsleute wie befohlen rivalisierende Gangster liquidierten. Man ersetze einfach »Leave the gun, take the cannoli« (Lass die Waffe, nimm die Cannoli) durch »Leave the copter, take the corpse« (Lass den Heli, nimm die Leiche).
    Dowd bewunderte die »Coolness des Präsidenten und seine undurchdringliche Miene«. Bei anderer Gelegenheit war ihm diese Distanziertheit vorgeworfen worden, doch bei dem »lange erwarteten Showdown mit dem Staatsfeind Nr. 1 passte sie perfekt«. Dowd fuhr mit einem Schlachtruf fort, den ihresgleichen normalerweise mit Staatsfeinden assoziieren:
    Ich will Erinnerung und Gerechtigkeit und Rache … Linke Schuldgefühle mögen ihren Zweck haben, doch auf diese Tötungsmission sollten sie nicht verschwendet werden. Moralisch und operativ war das Terrorabwehr vom Feinsten. Wir müssen uns für nichts entschuldigen. 98
    Wenig überraschend bekam Obama für seine Tat höchstes Lob von seinem Amtsvorgänger. Selbst Ex-Vizepräsident Dick Cheney und Ex-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld fanden (grummelnd) lobende Worte. Letztere machten gleich klar, dass der oberste Terrorist nur aufgrund von Informationen gefasst werden konnte, die in Guantánamo unter Folter gewonnen worden waren. Ein konservativer Kolumnist musste schließlich auf eine Tatsache hinwei sen, die die fortschrittlichen Apologeten des Weißen Hauses lieber ignorieren: »Wer Augen im Kopf hat, sieht, dass die Außenpolitik George W. Bushs und Barack Obamas sich immer ähnlicher wird. Seit letzter Woche ist es amtlich: Die Geschichtsschreibung wird die zwei Regierungen gemeinsam betrachten und die Bush-Obama-Ära als Einheit bewerten.« 99
    Viele progressive junge Amerikaner strömten auf die Straßen, um Osamas Ermordung zu feiern. Am Ground Zero in New York skandierten die Leute: »U-S-A, U-S-A / Obama schlägt Osama, Obama schlägt Osama / Ihr könnt uns nicht schlagen, Ihr könnt uns nicht schlagen / Scheiß auf bin Laden, scheiß auf bin Laden.« Ein Blogger für die radikale Literaturzeitschrift N+1 berichtete von der Szene und gab zu, mit seiner Freundin und all den
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